New York City - 4th of July, Teil I - Home Is Everywhere

von Christina Antoniadou

 

In The Heights

 

Es gibt Events in New York City, die sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen und darum rechtzeitig buchen. Stand-up comedy gehört dazu. Im Comic Strip Live haben Koryphäen wie Robby Williams, Eddie Murphy und Adam Sandler schon vor Jahren ihr Publikum begeistert, als sie noch keine Hollywoodgrößen waren. Vielleicht haben wir, also meine Freundin, ihre zwei erwachsenen Zwillingstöchter und meine Wenigkeit, sogar das Glück, in den Genuss von Stars zu kommen, die noch keine sind, es aber bald werden!? Wie beispielsweise eine zierliche Komödiantin, die uns mit weit aufgerissenen Augen zu verstehen gibt, dass der Stadtteil Harlem auch nicht mehr das ist, was er einmal war, allein schon aus dem Grunde, dass die Mieten enorm gestiegen sind. How do you know that your neighbourhood is now a hip neighbourhood? What makes it a hip neighbourhood? Daraufhin lässt sie uns kurz raten, warum Harlem wohl so cool ist. Die Mutigeren unter den Zuschauern versuchen ihr Glück und rufen ihr mögliche Lösungen zu, die nicht alle ernst zu nehmen sind, sodass sie uns jedes Mal mittels Augensprache zu verstehen gibt, dass wir uns mit derlei Vermutungen nicht unbedingt als Harlem-Kenner qualifizieren würden. Dabei setzt sie einen unglaublich ernsthaften Gesichtsausdruck auf, der gerade deshalb über alle Maßen komisch wirkt, was wiederum zur allgemeinen Erheiterung beiträgt. Die sympathische schwarze Komikerin sieht sich nach geraumer Zeit gezwungen, sich selbst die Frage zu beantworten: Als es das erste Mal kleine cherry tomatoes in Harlem zu kaufen gab, da wusste ich: Es ist vorbei mit den günstigen Mieten! Harlem ist nun eine hip Gegend. Die Weißen sind da! Nur die Weißen kommen auf die Idee, kleine Tomaten zu kaufen, die wie Kirschen aussehen.

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Da New York der Inbegriff für Show ist, wird der unerlässliche Broadway-Gang schon von zu Hause aus gebucht. Was für ein Segen das Internet doch ist! Vor allem wenn es um Reisevorbereitungen und Tickets geht! In aller Ruhe surft meine Freundin, die es bekanntlich liebt, alles bis ins Detail zu planen, Monate zuvor durch die New Yorker Musical-Landschaft, macht sich bezüglich Plot und Resonanz beim Publikum schlau, um sich am Ende aufgrund der vier Tony Awards und der guten Reviews für das Musical In The Heights zu entscheiden. Eine spektakuläre und spritzige Darbietung fürwahr! Genau das ist es, was uns auf die Idee bringt, am nächsten Tag den Bus zu nehmen und uns die Gegend Washington Heights, wo das Musical spielt, von nahem anzuschauen. Es ist der 4. Juli und somit Feiertag, den meine organisationswütige Freundin absichtlich und wohlweislich frei gelassen und dabei individuelle Gestaltung im Sinn hatte.

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Schon am Abend zuvor offenbaren die Blicke der jungen Damen, dass sie zwar gewillt sind, diesen Tag individuell zu gestalten, aber eben nicht in touristischer Hinsicht. Auch scheinen ihnen für den heutigen Tag Aktivitäten, die mit energieverbrauchender Bewegung und körperlicher Anstrengung in Verbindung gebracht werden könnten, fernzuliegen. Im Verlauf der nun einsetzenden Beratung muss  meine Freundin gezwungenermaßen einsehen, dass den Töchtern die heiße Luft zwischen den Wolkenkratzern sehr zu schaffen macht. Es ist, als würde die Hitze zwischen den hohen Gebäuden permanent stehen, als würden sich Beton und Asphalt um die Wette aufheizen, um die Sonnenstrahlen in alle Richtungen zu reflektieren, sodass es am Ende keine 30 Grad, sondern gefühlte 50 Grad heiß ist. Nächstes stichhaltige Argument der Brut: Zu anstrengend sind die Tage in Manhattan durch das militant durchgezogene Programm ohnehin, welches aufgrund der sengenden Hitze um so strapaziöser erscheint. Der NYC-Aufenthalt ist nach Ansicht der jungen Leute gekennzeichnet durch das Wort „zu“: zu heiß, zu anstrengend, zu volles Programm, zu viel Lauferei. Nichts ist angemessen. Folglich ziehen die Youngsters die Kühle des Hotelzimmers bzw. der Suite vor, wo sie die notwendige Energie für den Nachmittag tanken und gleichzeitig von der nervigen Mutter  vermutlich auch von deren Freundin  abschalten können. Und überhaupt: It’s the 4th of July today! Am Abend ist das große Feuerwerk angesagt. Da wir schon einmal in New York sind, wollen wir uns das natürlich nicht entgehen lassen. Darum dürfen wir uns tagsüber nicht verausgaben. 

Die Mutter unternimmt noch einen zweiten Bekehrungsversuch, sie zum Mitkommen zu bewegen, der jedoch ebenso fehlschlägt. Die zusätzliche und wichtigste Begründung, das Hotelzimmer auf Gedeih und Verderb zu hüten, sei die Tatsache, dass ein Freund der Töchter vorbeikommen und unsere Koffer abholen werde, allerdings habe er sich nicht festlegen können, was die Uhrzeit angehe. Mit soviel Gepäck sei es nämlich ein Ding der Unmöglichkeit, weiter nach Washington zu fliegen, ohne ein kleines Vermögen dafür zu entrichten. Also haben die amerikanischen Töchter diesen Freund kontaktiert, der ohnehin vorhabe, mit dem Auto die Strecke New York–Washington zurückzulegen. Dankenswerterweise habe dieser sich bereit erklärt, unser ganzes Gepäck mitzunehmen. Erfreut darüber, dass ihre Nachkommen über so viel Organisationstalent verfügen, sieht meine Freundin nunmehr von weiteren Überredungskünsten zwecks individueller Gestaltung des Tagesablaufes ab.

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Folglich beschließen die Powerfrauen unserer Gruppe, ohne die ruhebedürftigen Mädels loszuziehen. Das Argument der Mutter leuchtet ein: Schließlich ist sie eigens aus Europa angereist, um möglichst viel von dieser Mega-Stadt aufzusaugen. Herumsitzen kann man zu Hause zur Genüge und das sogar kostenlos. Hinzu kommt: So spannend, wie New York City ist, stört sie das meilenweite Laufen durch Manhattan keineswegs, zumal es abenteuerlustige Männer gegeben haben soll, die selbst bei Sahara-Temperaturen meilenweit gelaufen sind. Mit löchrigen Schuhen! Und zwar für nichts Geringeres als eine Filterzigarette! Die abenteuerlustige Mutter verfügt über feste Schuhe und vertritt die Meinung, dass nicht nur Zigaretten das Gefühl von Freiheit suggerieren. Der Stadtteil Washington Heights sah tags zuvor im Musical mindestens genauso spannend aus. Oder vielleicht sogar Harlem? Die sympathische Komikerin hat diesen Stadtteil mit den kleinen Tomaten, die es dort neuerdings zu kaufen gibt, doch sehr anschaulich beschrieben. Was für eine verlockende Idee! Ohne die Töchter könnten sie in Ruhe durch Harlem flanieren, und obendrein von Kommentaren bezüglich unglaublicher Hitze, heftigen Programms und krasser Mutter verschont bleiben …! So oder so ähnlich prasselt ihr Redeschwall auf mich ein, während ich mir Mühe gebe, ihren Gedankengang so gut es geht zu verfolgen.

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Begeistert von der Idee im „Alleingang“ zu neuen Abenteuern aufzubrechen, wünscht die Mutter ihren zurückbleibenden Töchtern noch einen geruhsamen Tag. Ebenfalls, lautet die Antwort der Gören und während sie ihr noch so etwas wie „Und immer schön artig bleiben“ zurufen, schickt sich meine Freundin in freudiger Erregung zum Aufbruch an, indem sie mich am Ärmel packt und mit hinauszieht. Bevor die Tür ins Schloss fällt, glaube ich eins der Mädels zu vernehmen, die uns ermahnt, nur ja wieder pünktlich „zu Hause zu sein“. Den Grund dafür bekommt mein ohnehin angeschlagenes Gehör nicht mehr mit. Wir befinden uns schon im Lift und es geht die vielen Stockwerke munter hinunter. Wenig später steigen wir in den Bus, der uns zu dem Stadtteil Washington Heights und – warum auch nicht – nach Harlem bringen soll.

Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Amerika das Land der Extreme: Entweder man verbrutzelt oder wird tiefgekühlt. Des Amerikaners liebstes Steckenpferd ist nämlich die Klimaanlage. Diese wird mit solch einer unbeschreiblichen Hingabe eingestellt, dass sich im Innenraum die ersten Eiszapfen bilden können. Wie nicht anders zu erwarten, verhält es sich im Bus ähnlich. In Ermangelung einer Daunenjacke hülle ich mich in ein Baumwolltuch ein, das ich aus gutem Grund für den gesamten US-Aufenthalt in der Tasche verstaut habe. Mit angewinkelten Beinen schaue ich aus dem Fenster und versuche, mich auf die Fahrt zu konzentrieren, überlege aber stattdessen, welche Formeln wohl Mathematikern zur Verfügung stehen, um auszurechnen, ob ich Washington Heights als tiefgekühltes Hühnchen oder nur leicht verschnupft erreichen werde. Vermutlich wird die uns bevorstehende Strecke mit der Innentemperatur multipliziert und dann durch die benötigte Zeit dividiert. Oder so ähnlich.

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Es ist die Zeit, in der man zwar im Besitz eines Smartphones ist, jedoch unbeschwertes Surfen im Internet unmöglich und Angebote für Datenpakete im Ausland noch nicht erfunden sind. Darum können wir uns keiner google map bedienen, sitzen aber stattdessen mit dem Stadtplan auf dem Schoß am Fenster und ziehen mit dem Zeigefinger die Strecke, die wir zurücklegen, nach. Es geht am Central Park und an den gegenüberliegenden Gebäuden mit den unerschwinglichen Wohnungen vorbei, die sich nur wenige Sterbliche, darum aber um so mehr Stars leisten können. Vorbei an Upper West Side, eine Gegend, die in den 1950er Jahren noch ein Arbeiterviertel war und nach der die Mutter des Musicals West Side Story benannt wurde. Genau dort spielt sich die Liebesgeschichte vor dem Hintergrund eines Bandenkrieges rivalisierender ethnischer Jugendbanden ab, so wie es bis in den 50er Jahren wohl auch an der Tagesordnung war: die US-amerikanischen Jets gegen die puerto-ricanischen Sharks. Im Rahmen der Stadterneuerung wurde diese Gegend wiederbelebt, um unter Anderem auch Platz für das Lincoln Center for the Performing Arts zu schaffen, dem bedeutendsten und bekanntesten Kulturzentrum der Stadt New York City.

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Kaum ist auf der rechten Seite der Central Park zu Ende, beginnt laut Plan der Stadtteil Harlem. Weiter im Norden befindet sich die Columbia University. Der Bus ist relativ leer, denn heute ist, wie gesagt, Feiertag und die Leute haben sicher Besseres zu tun, als den Handlungsort eines Musicals ausfindig zu machen. Man kann es ihnen nicht verübeln. Ich schaue mir auf dem Stadtplan die Gegend an und sehe, dass Spanish Harlem weiter östlich liegt. Mit dem Finger auf dem Stadtplan signalisiere ich meiner Weggefährtin, dass wir auf dem Rückweg auch dort halt machen könnten. Nicht umsonst wird Carlos Santana diesem Stadtteil ein Lied gewidmet haben, das von einer Maria erzählt, einer Schönheit, die in Spanish Harlem aufgewachsen ist. Maria, Maria, she reminds me of a West Side Story, Growing up in Spanish Harlem, she’s living the life just like a movie star. Und da Musik nun einmal eins meiner Hobbies ist, reiht sich eine Assoziation an die nächste und ich lande bei dem weitaus älteren Spanish Harlem, nämlich bei dem des großen Soulsängers Ben E. King, von dem es zahlreiche Coverversionen gibt. Vor allem die der legendären Aretha Franklin ist hinreißend: There is a rose in Spanish Harlem …

Der Bus bewegt sich gen Norden und wird immer leerer, bis Endstation ist. This is the final stop, madame, lässt uns der Busfahrer mit einem Blick in den Spiegel wissen, vermutlich weil wir als einzige Insassinnen keinerlei Lebenszeichen von uns geben. Etwas unschlüssig stehen wir auf, da zeigt der gute Mensch auf das gegenüberliegende Gebäude mitten im Grünen. This is the touristic highlight in Washington Heights. I guess you want to visit The Met Cloisters. Der Fotoapparat, der an meinem Hals baumelt, lässt unweigerlich Schlüsse auf unsere Identität zu. Dankbar für die Empfehlung steigen wir in die brütende Hitze hinaus und schlagen den Weg in Richtung Kloster ein, das aufgrund von dicken Mauern die Rettung vor hohen Temperaturen verspricht. Dort gibt es zur Freude meiner Begleiterin genügend Broschüren, die alle notwendigen Informationen sowohl über den Stadtteil als auch über das Gebäude selbst bieten. Beim ersten flüchtigen Durchblättern erfahren wir somit, dass wir uns in einer der Zweigstellen des Metropolitan Museum of Art befinden. Sieh einer an, was so ein Musical bewirken kann, da kann selbst Tripadvisor mit seiner Aufzählung things-to-do nicht mithalten.

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Mit den Broschüren gut ausgestattet begeben wir uns auf einen Rundgang durch den Gebäudekomplex. Während ich versuche, den Grund dafür herauszufinden, warum mich hier alles an Europa erinnert, ist eine tiefe Stimme zu vernehmen, die vor versammelter Mannschaft aufklärende Details über The Met Cloisters vermittelt und so folgen wir fortan der Gruppe. Der Guide hat vermutlich gerade erst mit der Tour begonnen, denn er setzt bei Adam und Eva an und erklärt, dass es den Verantwortlichen des Metropolitan Museum of Art schon bald bewusst worden sei, dass ihr Stammhaus an der Fifth Avenue nicht über genügende Räumlichkeiten verfüge, um die zahlreichen Kunstwerke angemessen zu präsentieren. Also habe ein Neubau errichtet werden müssen. Ich kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken, da dieses Volk bekannt dafür ist, im Notfall schnelle und passende Lösungen zu finden. Wenn Amerikaner Platz für Kunstwerke brauchen, dann wird kurzerhand ein neues Gebäude errichtet. Just like that! Der Guide mit der tiefen Stimme fährt fort: The public Park Fort Tryon in Washington Heights was a perfect place! Damit meint er die Parkanlage um uns herum. Wenn ich ihn richtig verstehe, gab es wohl schon vorher ein Museum an der Fort Washington Avenue, eine Art Privatmuseum, das sich Gothic Collection nannte.

Und jetzt fügt der Guide etwas hinzu, was mich wieder einmal in Staunen versetzt. Bei diesem Privatmuseum handle es sich eigentlich um eine große Sammlung des Kunstsammlers namens George Grey Barnard. Dieser habe zu Beginn des Ersten Weltkrieges verschiedene Teile von französischen Klöstern zusammengetragen, um aus über 600 Teilen hier ein mittelalterliches Ambiente zu schaffen. An dieser Stelle würde ich gern nachhaken, wie es gemeint ist, doch zum Glück kommt mir eine Französin zuvor, die ihre Neugier auf ähnliche Weise zum Ausdruck bringt und es ebenfalls recht eigenartig findet, dass sich französische Klöster nicht mehr in ihrer Heimat, sondern nunmehr in New York City befinden. Die Antwort darauf lautet, dass Herr Barnard kurz vor dem ersten Weltkrieg in Frankreich gelebt habe und eine rege Sammlernatur gewesen sei. Munter habe er dort begonnen, die 52 Säulen und jede Menge Kapitelle, also deren oberen Abschluss, zusammenzutragen, um dann alles über den großen Teich zu schiffen.

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But why? rutscht es mir heraus, denn so sehr ich auch versuche, einen Sinn dahinter zu entdecken, Säulen unter großem Kraftaufwand von einem Kontinent zum nächsten zu schleppen, es will mir nicht gelingen. Der Guide scheint für meinen überraschten Gesichtsausdruck nicht das Mindeste an Verständnis aufzubringen und antwortet mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit: Barnard was interested in medieval art, so he gathered discarded fragments of medieval architecture from French villages. Ich verstehe weder die Vorgehensweise dieses Franzosen Barnard, noch die Leichtigkeit, mit der damals gewisse Zollbeamte alle verfügbaren Augen zugedrückt haben, ganz zu schweigen von dem Guide, der ein Jahrhundert später versucht, dies möglichst neutral zu kommunizieren. Man könne doch nicht einfach Säulen mitnehmen, die einem nicht gehören würden. Egal ob sie ausgesondert oder weggeworfen gewesen seien! Letzteres wage ich übrigens sehr stark zu bezweifeln und schließe mit der Frage ab: Wen hat er denn um Erlaubnis gefragt? Der Guide zuckt mit den Achseln und erwidert: He found these Gothic antiquities by roaming the French countryside.Ach, man schweift in der Französischen Provinz umher und „findet“ Kleinigkeiten wie Säulen, die man nur aufzulesen braucht! Interessant! Meine Freundin versetzt mir einen diskreten Rippenstoß, um mir zu signalisieren, dass ich lieber schweigen soll. In gewisser Weise hat sie recht, denn tatsächlich lässt sich der Guide durch meine Kommentare keineswegs beirren: In 1914 he established this collection in a church-like building near his home. 

Fassungslos darüber, dass ein Guide selbst heutzutage nichts Kritikwürdiges daran zu finden scheint, dass antike Säulen ohne nennenswerte Kontrollen das Land wechseln, muss ich unweigerlich an die Akropolis denken. Earl of Elgin war folglich nicht der einzige, der sich die Freiheit genommen hatte, Kulturgüter aus anderen Ländern abtransportieren zu lassen, um den Mangel an eigenen Kulturgütern zu beheben. Die sogenannten Elgin Marbles befinden sich heute im British Museum in London, – ich frage mich allen Ernstes, warum es diesen Namen trägt, wo doch kaum etwas in seinen Hallen britisch ist – statt zu Hause den Parthenon auf der Athener Akropolis zu zieren.

www.youtube.com/watch?v=zquBm_0xb

www.retrogradecanvas.wordpress.com/2015/05/26/why-the-elgin-marbles-should-stay-in-london/

Gleiches gilt sowohl für die Venus von Milo als auch für die Nike von Samothrake. Statt auf der jeweiligen griechischen Insel oder auch in Athen – immerhin die Hauptstadt des Landes, aus dem sie stammen –, bewundert zu werden, dienen beide als absolute Highlights im Pariser Louvre. Es wäre müßig, das in dieser Runde kund zu tun, denn außer mir und der nunmehr schweigenden Französin scheint sich niemand an Transporten dieser Art zu stören.

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www.windswaves.wordpress.com

Der Guide ist inzwischen schon beim spendablen Mäzen angelangt, der diese Einrichtung unterstützt hat: The collection was purchased by John D. Rockefeller Jr. in 1925 and forms part of the nucleus of The Cloisters collection, erzählt der Guide begeistert weiter und kann nur schwer seinen Stolz auf Amerikaner wie Rockefeller Jr. – vermutlich auch auf dessen Vater – verbergen. Schließlich kann nicht jeder so ein Anwesen kaufen und es später auf das Metropolitan Museum of Art übertragen. Zugegebenermaßen ist dieses Projekt gelungen, denn der Gebäudekomplex mutet mittelalterlich und historisch an, zumal er heute – wie passend! – einen Teil der Sammlung mittelalterlicher und kirchlicher Kunstwerke beherbergt.

Die Französin möchte nun mehr zur Funktion des Klosters wissen und fragt, ob es sich um ein Kloster für Frauen oder für Männer handle. Der Guide lächelt und erwidert, diese Frage werde des Öfteren gestellt, aber man solle bedenken, dass wir es hier nicht etwa mit einem real existierenden Kloster zu tun hätten. Es handle sich einzig und allein um den Versuch, Originalbauteile europäischer Klöster miteinzubeziehen und somit ein möglichst originalgetreues Aussehen wiederzugeben. Leider habe Barnard damals zwar eifrig, aber trotzdem nicht genügend vollständige Säulen aus Frankreich mitgebracht, muss unser Guide als Nächstes mit Bedauern feststellen. Was für ein geistesabwesender Zeitgenosse aber auch, nicht alle einzusammeln, rutscht es mir aus und ein leicht ironischer Unterton gleich mit. Mein Kommentar findet die ungeteilte Zustimmung des Guides, zumal er den spöttischen Unterton nicht realisiert. Man merkt ihm an, dass ihm das Prinzip „wenn schon, denn schon“ lieber ist als oberflächliche Unüberlegtheiten. Man habe allerdings damals die Lösung gefunden und fehlende Teile kurzerhand eingebaut. Darum sei dieser Gebäudekomplex im Fort Tryon Park sozusagen eine Mischung aus Neu und Alt. Erneut muss ich feststellen, dass die Amerikaner tatsächlich nicht lange zaudern und auch in diesem Fall um eine praktische Lösung nicht verlegen sind. Wenn es beispielsweise darum geht, aus Barnards mitgebrachten Säulen einen symmetrischen Hof zu schaffen, diese aber törichterweise nicht in ausreichender Anzahl vorhanden sind, dann werden einfach Reproduktionen hinzugefügt. Nicht umsonst sind die Amerikaner dafür bekannt, dass sie – vermutlich in Ermangelung eigener – weniger zimperlich mit Kulturgütern aus anderen Ländern umgehen.

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Der Mensch, der nicht nur über dieses Gebäude Bescheid weiß, klärt uns als Nächstes darüber auf, wie Washington Heights zu seinem Namen kommt. Es handle es sich um den höchsten natürlichen Punkt Manhattans, ganze 81 m über dem Meeresspiegel, wo General George Washington das gleichnamige Fort und somit das Lager des Revolutionären Krieges stationiert habe. Dann versucht er die Führung etwas interaktiv zu gestalten, indem er uns raten lässt, wie sich die Bevölkerung von Washington Heights zusammensetzt. Das gestrige Musical kommt mir zugute, ich liege mit meiner Vermutung, dass es sich vorwiegend um Lateinamerikaner handelt, bestimmt richtig, allerdings habe ich nicht das geringste Bedürfnis, diesem Guide den Gefallen zu tun und mich an seinem Quiz zu beteiligen. Nicht so meine Freundin, die sich weniger daran zu stören scheint, dass ein amerikanischer Guide sich gern mit fremden Federn, in diesem Fall mit französischen, schmückt. Glücklich darüber, etwas zu dem Thema beitragen zu können, nennt sie des Rätsels Lösung und erntet dafür von dem Moderator des Quiz einen anerkennenden Blick. Tatsächlich setze sich heute die Bevölkerung aus Spanisch sprechenden Emigranten zusammen, die größtenteils aus der Dominikanischen Republik und aus Puerto Rico stammen würden.

Es gebe allerdings auch Gegenden mit signifikanten jüdischen Bevölkerungsteilen, was die nächste Frage in seinem Quiz ausmacht: If I give you the name of an American politician who lived in this area maybe you can tell me where these Jewish people came from. Er nennt den Außenminister aus den 1970er Jahren, Henry Kissinger, sodass die Deutsche unter den Touristen drei Mal darf geraten werden, von wem die Rede ist wieder glänzen kann und die Frage richtig beantwortet. Ganz eindeutig ist der Guide sowohl von ihren Kenntnissen als auch von ihrer Aufnahmefähigkeit begeistert. Tatsächlich seien viele jüdische Deutsche und Österreicher hierher gezogen, um dem Nationalsozialismus zu entkommen.

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Und da viele ursprünglich aus Frankfurt am Main gestammt hätten, habe das Viertel unter den Emigranten wie geheißen? Bei dieser Frage dreht er sich erwartungsvoll zu meiner aufgeweckten Freundin um, doch dieses Mal muss sie ihn leider enttäuschen, denn seine Worte stoßen auf ihr Achselzucken. Die Lösung „Frankfurt-on-the-Hudson“ klingt plausibel, auch wenn ich nie im Leben auf diese Benennung gekommen wäre. In keinem anderen Viertel der Stadt hätten so viele deutsche Juden wie hier gelebt, was sich allerdings zwei Jahrzehnte später geändert habe, was an der Namensgebung „Astoria von Manhattan“ zu erkennen sei. Die Schlussfolgerung meiner Freundin, dass der Anteil an Griechen vermutlich zugenommen habe und die Gemeinde darum so bezeichnet worden sei, lässt die Bewunderung des Guides für ihre Person erneut ins Unendliche steigen.

Schade nur, dass ihre Töchter das nicht miterleben dürfen! Ach, was wären sie wieder stolz auf ihre nervige, auf ihre krasse Mutti!

 

FORTSETZUNG FOLGT …

 

 

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Herzlichen Dank an Ute Petkakis für das Gegenlesen!

 

Copyright 2019 Christina Antoniadou / All rights reserved

 

Beitragsbild:www.themarysue.com

 

 

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