von Christina Antoniadou
Jacob Zuma, 4th president of South Africa, in office 9 May 2009 – 14 February 2018 (Folgende Episode findet in dieser Zeit statt.)
Es ist wirklich bemerkenswert, welche Möglichkeiten einer unbedarften Europäerin in Südafrika offen stehen, ihren Horizont zu erweitern. Eine Taxifahrt und ein nicht enden wollender Stau scheinen dafür beispielsweise bestens geeignet zu sein. Es stellt sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass Baruti nicht nur der beste Taxifahrer, sondern auch der beste Seminarleiter von allen ist. Je länger wir im Stau stecken, desto fröhlicher geht die Verunglimpfung des Präsidenten Zumas weiter und wenn dieser Wind davon bekäme, würde er Barutis politisches Seminar garantiert als einen Affront betrachten. Sicherheitshalber werfe ich jegliche politically correctness vorerst über Bord, um die Gelegenheit zu nutzen, soviel Gossip wie möglich aufzuschnappen und stelle zu diesem Zweck eine passende Frage: Zuma lebt also polygam? Als ein heftiges Nicken begleitet von einem noch heftigeren Kichern keinen Raum für Zweifel lassen, frage ich naiverweise, ob das denn unter Zulu akzeptiert werde. Baruti erwidert lachend: Was heißt unter Zulu? Polygamie ist in Südafrika legal, wird allerdings meist nur in ländlichen Gegenden praktiziert. Und was Zuma angehe, berufe sich dieser dabei auf alte Traditionen und heirate entsprechend in traditioneller Zulu-Zeremonie, also tanze er mit der Auserwählten, und zwar bekleidet mit einem Leopardenfell und mit einem Zulu-Schild in der Hand. Davon gebe es übrigens bei youtube genügend Beweismaterial, falls ich ihm nicht glauben sollte, zwinkert er mir im Rückspiegel zu.
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Mein Gesichtsausdruck spricht zweifellos Bände. Ein Staatspräsident, der ein bekennender Polygamist ist! Man ist ja heutzutage allerlei Bekenntnisse gewohnt. Dass man sich zu seiner Homosexualität bekennt, gehört mittlerweile zum Alltag. Und das ist auch gut so! Dass sich Extremisten zu einem Attentat bekennen, ist mittlerweile auch Teil unseres Alltags. Das ist allerdings weniger gut! Dass sich ein Staatspräsident, in diesem Fall ein afrikanischer, zur Polygamie bekennt, ist jedoch an politischer Erfindungsgabe kaum zu überbieten. Baruti steigert sich ins Thema hinein: Zuma sei ein energischer Verfechter dieser Lebensweise, was er auch bei jeder Gelegenheit aktiv gegenüber der Öffentlichkeit kundtue. But this is no good sign for our future, you know! Polygamy is not a progress for our country. It’s a step back. Tja, was soll ich als weiße, emanzipierte Europäerin darauf antworten? Nie wäre ich je auf die Idee gekommen, dass ich in ein so überholtes Gesprächsthema verwickelt werde.
Jetzt will ich es aber genau wissen: Von wie vielen Frauen ist denn eigentlich die Rede? frage ich vorsichtig. Baruti weiß selber nicht so recht, wie viele Frauen zu Hause auf sweet Zuma warten. Er fängt an, die Mitglieder des Harems an den Fingern abzuzählen: Mit seiner ersten Frau sei er seit seiner Jugend zusammen, von seiner zweiten Frau habe er sich scheiden lassen, seine dritte habe Selbstmord begangen, dann habe er Nummer Vier und Nummer Fünf geheiratet, mit Nummer Fünf habe er übrigens schon vorher drei gemeinsame Kinder gehabt. Tja und vor kurzem habe er mit seinen strammen 70 Jahren zum sechsten Male eine Frau geehelicht, denn auch diesmal gab es einen Sohn, der in geregelten Verhältnissen groß werden sollte. Die Gerüchteküche brodle übrigens ganz gewaltig, dass er baldigst zum siebten Male das Jawort geben werde. Die doch ansehnliche Anzahl an Bräuten legt die Vermutung nahe, dass Zuma im Bett von einer Bestimmtheit zu sein scheint, die man ihm weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick zutrauen würde. Don’t tell me that he is paying lobola every time, frage ich insidermäßig und stolz darauf, dass auch ich ein bisschen Ahnung von Südafrika habe und stelle mir gerade vor, wie Zuma den Preis aushandelt und die festgelegte Anzahl von Rindern an die Herkunftsfamilie der Braut abgibt. Sichtlich unbeeindruckt von meinen landeskundlichen Kenntnissen kommt die Antwort ganz ernsthaft zurück: So viel er wisse, zahle Zuma jedes Mal brav den Brautpreis, also lobola.
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Was Zumas Beziehungskisten anbelange, handle es sich ja um ein abwechslungsreiches Programm, wage ich meinen Kommentar dazu. Tatsächlich ist alles dabei: Jugendliebe, Scheidung, Selbstmord. Shoe, that’s nothing comparing to Number 4! She really is trouble. Barutis Augenbrauen erreichen fast den Haaransatz, sozusagen zur Untermalung dafür, dass Nummer Vier es wirklich faustdick hinter den Ohren hat. Na dann erzähl mal, Baruti! Und prompt folgt eine Klatschgeschichte wie im Bilderbuch: Zuerst soll also die Nummer Vier Zuma mit dem Bodyguard betrogen haben, dann war sie schwanger, aber das Kind soll nicht von Zuma, sondern von dem Liebhaber gewesen sein, dann habe sie angeblich versucht, Zuma zu vergiften, denn er habe plötzlich mysteriöserweise Halluzinationen gehabt und mit seiner Mutter gesprochen, die doch schon lange tot gewesen sei. Wenn ich Baruti richtig deute, dann sind das eigentlich genügend Gründe für ein Staatsoberhaupt, um den berüchtigten Kragen platzen zu lassen, sodass kurz danach der Bodyguard tot aufgefunden wurde.
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Unerklärlicherweise! Sein ehemaliges Herzblatt lebe nun samt den drei Gören – von wem auch immer sie stammen mögen – nicht mehr im Kreise der Großfamilie, nicht mehr im homestead, sondern in Durban. She is still entitled to benefits, as she and Zuma are not divorced. Aber selbst nach dem angeblichen Giftanschlag sei Zuma anscheinend noch immer bester Laune. And you know why? Keine Ahnung, warum dieser Mann unverwüstlich ist, aber das sind Politiker doch öfters, oder? Come on, Baruti, he is not the only one! Africa is full of politicians like him! Ich bin mir ziemlich sicher, dass auf dem schwarzen Kontinent die Mehrheit der Politiker so tut, als würde sie regieren, in Wirklichkeit aber einfach nur in Saus und Braus lebt. Er schüttelt den Kopf. Ja, aber Südafrika ist anders. Wir haben einen Nelson Mandela vorzuweisen, einen Desmond Tutu. Er nennt noch zwei weitere Namen. Welches andere afrikanische Land kann bitte schön auf vier Friedensnobelpreisträger stolz sein? Samt dazugehörigen Statuen in Cape Town?
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Um wieder auf Zuma zurückzukommen: Weder Skandal noch jegliche Kritik könnten ihm die Petersilie verhageln, da er nämlich plane, als Nachfolgerin seine Ex-Frau in Position zu bringen. Das sei die Nummer Zwei, von der er sich habe scheiden lassen. Sie solle als Staatsoberhaupt dafür sorgen, dass ihr Ex nach seiner Amtszeit nicht doch noch im Gefängnis lande. Zum wiederholten Male wundere ich mich über den unverhofften Informationsaustausch. Dem Stau sei Dank. Baruti besitzt faszinierend tiefe Einblicke in die südafrikanische Politik und verfügt über einen scharfen Verstand. Ich höre ihm gefesselt zu, komme aber nicht umhin, auch meinen Beitrag dazu zu leisten. Frauen an der Macht! Das wäre doch einmal eine nette Abwechslung in Südafrika oder nicht? wage ich einzuwerfen. Aber doch nicht so! wendet Baruti zu Recht ein. Zuma benutze seine Ex-Frau aus einem ganz offensichtlichen Grund, aber nach außen hin unter dem Vorwand, dass es an der Zeit sei, eine Frau zum Staatschef zu ernennen. Damit stülpe er seinen korrupten Machenschaften auch noch ein fortschrittliches und frauenfreundliches Cover über. Wer ein bisschen Ahnung von Südafrika und seinen Politikern habe, könne nur noch mit dem Kopf schütteln. Nicht dass Südafrika nicht mit Frauen aufwarten könne. Es habe einige gegeben, die eine große Rolle in der Politik gespielt hätten, allen voran Helen Zille, die ehemalige Bürgermeisterin von Cape Town und Premierministerin der Provinz Western Cape. Nicht dass sie sein Fall sei, aber respektieren müsse man die Dame wohl schon. Zille, Zille geht es mir im Kopf herum, der Name sagt mir doch etwas. Wer war das noch einmal? Google weiß ja bekanntlich alles und hilft mir auch jetzt weiter. Diese Politikerin in Cape Town ist tatsächlich eine Großnichte des Berliner Milieumalers Heinrich Zille. Wie klein die Welt doch ist.
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Baruti lenkt das Thema wieder auf Zumas Frauen. Etwas überfordert von dem Frauenverschleiß des Präsidenten multipliziere ich vage seine Nachkommen, bin dabei allerdings auf fremde Hilfe angewiesen. Auf die Frage, wie viele Kinder Zuma denn nun habe, weiß der Taxifahrer auch keine genaue Zahl zu nennen, aber die Kinder von den offiziellen Ehefrauen müssten schätzungsweise … er hält inne, fängt an, Namen vor sich hinzumurmeln und ist dabei ganz auf seine Finger fixiert, an denen der Nachwuchs Zumas nach dem biblischen und nicht weniger altbewährten Motto Seid fruchtbar und mehret euch protokolliert werden soll. I guess there must be about 20-22, lautet das Ergebnis seiner Rechenaufgabe, aber es gebe auch noch eine Menge anderer Kinder von diversen Liaisons, die wohl übers ganze Land verstreut seien. Ziemlich perplex bei der Vorstellung solcher enormen Massen an Schnullern, Windeln und Milchflaschen samt dazugehörigem Geschrei und Geplärre mache ich intuitiv das Fenster auf, um ein bisschen nach Luft zu schnappen. Also an Lendenlahmheit scheint Zuma nun nicht gerade zu leiden, schießt es mir durch den Kopf. But you know what’s the funny thing about it? Ich finde diesen unkontrollierten Fortpflanzungstrieb des Präsidenten schon eigenartig genug, aber Baruti schafft es, auch das zu toppen: Zuma verteidige sich und seine Polygamie mit dem Argument, dass durch Ehe legalisierte Beziehungen besser seien als wilde Affären. Ein feines Bürschchen ist dieser Zuma! Während ich so untätig im Taxi sitze, stelle ich wohl eine typisch europäische Frage: Was wäre aber, wenn er nach westlichem Modus eine einzige Frau hätte, sagen wir mal die Erste, mit der er schon als Teenager zusammen war. Wie viele Kinder hätte der Staatspräsident dann? Baruti lacht sich wieder ins Fäustchen, und zwar aus gutem Grunde, wie ich bald erfahren werde: Mit der ersten Ehefrau, die den unmodischen Namen Gertrude trägt, hat er kein einziges Kind. Also würde unter Berücksichtigung dieser neuen Erkenntnis die Wahrscheinlichkeit einer außerehelichen Kindertruppe wohl ins Enorme steigen.
Polygamie hin oder her: Zuma scheint mindestens so viele Affären zu haben wie wir Finger zählen, die Zehen miteinberechnet. Er stürzt sich wohl von einem delikaten Abenteuer ins nächste. Ganz nebenbei erfahre ich, dass sein polygamer Lebensstil den südafrikanischen Steuerzahler umgerechnet über eine Million Euro jährlich kostet. Baruti macht zum x-ten Male seinem Namen alle Ehre und explodiert: Das Volk lebe im Elend, um sich vier „First Ladies“ leisten zu können. How ridiculous is that? will Baruti wissen. Sehr, gebe ich kopfnickend zu. Und wenn wir uns auf Deutsch unterhalten würden, käme sicher auch noch der Ausdruck „krass“ ins Spiel. Welche der vier „First Ladies“ nimmt er denn mit, wenn er zu einem offiziellen Treffen geht? frage ich neugierig. Baruti lacht: For Mandela it was much easier! Tatsache ist, dass jedes andere Staatsoberhaupt nicht lange zu überlegen braucht und sich einfach seine einzige Frau schnappt und damit gut. Wie handhabt Zuma also die Angelegenheit? Baruti antwortet mit einem Begriff, den man mit „reihum“ übersetzen könnte. Derweil google ich neugierig Zumas Frauen und stoße auf ein idyllisches Familienfoto, auf dem der Hahn im Korb mit seinen vier Herzblättchen abgebildet ist. Zuma steht in der Mitte, links und rechts von ihm jeweils zwei Damen und zu Fünft wird eine Torte mit der Zahl 70 angeschnitten, der runde Geburtstag des Präsidenten. Nur die älteste Dame ganz rechts, vermutlich diese Gertrude, schaut etwas griesgrämig, alle anderen Mitglieder der Großfamilie strahlen übers ganze Gesicht und haben ihr glücklichstes Familienlachen aufgesetzt.
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Was die First Ladies außer ihrem Titel noch an Gemeinsamkeiten vorzuzeigen haben, ist definitiv ihr Übergewicht. Ich versuche mir vorzustellen, wie es anmutet, wenn Zuma mit einer seiner vollschlanken Gattinnen ineinander verschlungen auf das Bett fällt und muss gegen das Bedürfnis ankämpfen, laut loszulachen, was mir nur bedingt gelingt. Baruti fordert mich mit seinem neugierigen Blick in den Rückspiegel regelrecht auf, meine Gedanken mit ihm zu teilen. Also verleihe ich meinem Verdacht Ausdruck: Zuma scheint es voluminös zu mögen. Der beste Taxifahrer von allen bestätigt mit diversen Handbewegungen, wie füllig Zumas Frauen oben und unten herum sein müssen. Im Stau können die markanten „Luftzeichnungen“ glücklicherweise keinen Auffahrunfall hervorrufen.
„Baruti, how many wives do you have?“ Etwas wehmütig, scheint mir, schüttelt der junge Mann den Kopf. Auch seine Vorfahren hätten früher diese Tradition der Polygamie, aber heute halte sich kaum einer mehr daran, es sei denn, es handle sich um wohlhabende Südafrikaner, die sich mehrere Frauen leisten könnten. No money, no honey, lacht Baruti und erzählt weiter. Wenn früher die Ehefrau außerstande gewesen sei, Söhne zu gebären, wodurch die Zukunft der Familie in Gefahr gewesen sei, habe der Mann seine Frau darum gebeten, eine zweite Frau heiraten zu können, die von der Erstvermählten ausgesucht worden sei. Meine Augenbraue hüpft erneut nach oben. Mit meinem Gedächtnis steht es zwar nicht allzu gut, aber ich meine, mich erinnern zu können, dass es der Mann ist, der – rein zeugungsmäßig gesehen – das Geschlecht des Kindes bestimmt. Baruti lässt mir keine Zeit zum Recherchieren und redet weiter: Voraussetzung für weitere Ehen sei, dass die erste Frau zustimme und die Haremskolleginnen aussuche. Meist stelle sie es ganz raffiniert an und suche als zweite oder dritte Ehefrau ihre eigenen jüngeren Schwestern aus. Damit habe sie dann gleich Verbündete. Trotz seiner ansonsten progressiven Einstellungen ist Baruti von den Vorteilen der afrikanischen Großfamilie überzeugt und erklärt mir den ausschlaggebendsten Grund für ihre Existenz. Nie im Leben wäre ich von allein darauf gekommen, wie gut es sowohl Kinder als auch Ehefrauen solcher Familien haben. Es ist immer jemand da, der sich um die Kinder kümmert, vor allem wenn die eigene Mutter arbeiten muss oder – noch schlimmer – nicht mehr am Leben ist. Außerdem helfen sich die Frauen gegenseitig, was alltägliche Dinge oder Haushalt angeht. Mein junger Taxifahrer ergänzt augenzwinkernd ein prickelndes Detail: Übrigens muss die erste Frau zustimmen, wenn der Mann die Nacht in der Hütte – bei reichen Leuten eben im Haus – einer anderen Frau verbringen will.
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Apropos Haus! Baruti setzt zu einem neuen Kapitel in Zumas ereignisreichem Leben an: Did you hear about Zuma’s homestead? Mit einem Blick auf den Stau und dann auf die Uhr versuche ich zweierlei zu erraten, nämlich erstens wann ich wohl zu Hause ankommen werde und zweitens ob noch genug Zeit ist, um zu erfahren, was es mit diesem Gehöft konkret auf sich hat. Mir sei schon einiges zu Ohren gekommen, erwidere ich. Unter anderem, dass es wohl sehr geräumig sei. Der Taxifahrer schaut verdutzt in den Rückspiegel: Geräumig, ist gar kein Ausdruck. Es ist eine Festung! Abgesehen davon handle es sich ja nicht nur um EIN einziges Haus, denn Zuma habe in jeder südafrikanischen Großstadt jeweils eins. Und wenn ich Baruti richtig verstehe, macht das drei festungsartig ausgebaute Edelhütten plus das Nonplusultra an Domizil in seinem ansonsten ärmlichen Heimatort Nkandla, wo präsidialer Luxus herrscht. Und um dieses noble Anwesen, das Zuma liebevoll homestead nennen, gehe es seit geraumer Zeit. Bei dem Ausdruck „liebevoll“ glaube ich einen Hauch von Ironie herauszuhören. So, what’s wrong with this homestead? möchte ich wissen. Meine Frage scheint Baruti eine herrliche Startrampe für seine bissige Tirade zu bieten, die er einfacher nicht einleiten könnte: Everything is wrong! Und da ich die Augen ungläubig aufreiße, holt er aus: Because it is not his money. He spent taxpayers’ money on upgrading his rural home. Ich verstehe! Do you know how much money he spent? Baruti scheint nicht glauben zu wollen, dass ich nicht im Bilde bin. He has been under fire for spending about 240 Million Rand, ergänzt er, um mir auf die Sprünge zu helfen. Das ist zugegebenermaßen ein beträchtlicher Betrag mit vielen Nullen, auch in europäischer Währung, wofür wohlgemerkt der Steuerzahler gerade stehen muss. Zuma behaupte zwar, dass er es mit eigenem Geld finanziert habe. Die Rechnung gehe aber bei einem Jahresgehalt von 200.000 Euro und einer langen Schuldengeschichte nicht auf.
You love googling. So google it and you will see what I am talking about. Wo Baruti Recht hat, hat er Recht: Die Fotos, die das Netz diesbezüglich zu bieten hat, spotten jeglicher Beschreibung. Eingebettet in grüne Hügel der Provinz KwaZulu-Natal ist der schillernde Villenkomplex mit Buschhütten-Optik, also strohgedeckt, schon auf den ersten Blick mehr als beeindruckend. Unter dem Foto steht zu Recht „Zumaville“. Als ich nach dem Grund dieser großartigen Anhäufung von Gebäuden frage, weiß mein Taxifahrer auch hierauf die richtige Antwort: Durch die Erweiterung und den Ausbau des Landsitzes würden nun 21 Häuser allein für Bedienstete und Sicherheitspersonal Platz finden. Zumas Vorgänger Thabo Mbeki und Nelson Mandela habe der entsprechende Ausbau der Privathäuser nur einen Bruchteil gekostet, wirft der Taxifahrer skeptisch ein. Das Regierungsverständnis sei nun mal von Staatschef zu Staatschef anders, gebe ich zu bedenken.
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And guess what excuse did he come up with! Schon öfters habe ich mir eingestehen müssen, dass mir die Fantasie in diesem wunderbaren Land ausgegangen ist. Nun erst recht. Auf mein Achselzucken kommt die erlösende Erklärung. Die offizielle Begründung für die Ausgaben in Millionenhöhe laute: um neuen Sicherheitsanforderungen zu genügen. In dieser Logik habe zur Verbesserung seiner Sicherheit und der seiner Frauen einiges geändert werden müssen. Und dazu gehört der Bau eines nagelneuen Schwimmbeckens. Guess why! Erneut hilft mir meine Vorstellungskraft nicht weiter, um Sicherheitsmaßnahmen und Swimming-Pool unter einen Hut zu bringen. Na, zum angeblichen Brandschutz, zwinkert mir Baruti zu und zeigt mir einen Vogel, was hierzulande soviel wie „Kapiert?“ bedeutet. Der Pool dient der Feuerwehr also zur Wasserreserve, wenn es denn mal brennen sollte. Nach dem gleichen Schema kann man einiges in diesem Hochsicherheits-Luxuskomplex umdeuten, so auch das Amphitheater mit dem dazugehörigen home cinema, den Hubschrauberlandeplatz, die klimatisierten Untergrundgemächer und erst recht den Bunker samt der Fluchtwege, die unter der Erde zementiert sind. Von Kronleuchtern und Edelmobiliar ganz zu schweigen. Angeblich alles Sicherheitsmaßnahmen.
Was den jungen Mann auf dem Fahrersitz diesbezüglich jedoch am meisten auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass Zuma soweit geht, in seiner Wahlkampfrede eine erstaunlich persönliche Erklärung für den kostspieligen Prachtpalast abzugeben. Guess what he had the courage to say! He really believes we are all stupid. Warum soll ich ständig Vermutungen anstellen, wenn sie erstens ohnehin verkehrt sind und zweitens er mir sowieso bald die Lösung nennt? Ich schüttle vielsagend bzw. nichtssagend den Kopf. Baruti schießt los: Eine seiner vier Ehefrauen sei angeblich durch zwei Einbrecher vergewaltigt worden, während er selber verreist gewesen sei. Ehrlich gesagt, mich wundert gar nichts mehr. Aber so ist das halt, wenn man irgendwann ein gewisses Maß an Fassungslosigkeit erreicht hat! Für Zuma scheint nichts dabei zu sein, wenn er in seiner Privatsphäre herumwühlt, um geeignete Ausreden herauszufischen und diese unter aller Nasen reibt. Ein geschicktes Ablenkungsmanöver ist es allemal. Baruti ist auf Hundertachtzig. Jeder Blinde sei doch in der Lage zu sehen, was da vor sich gehe, oder? Sure, erwidere ich nickend, jeder Blinde mit dem Krückstock! You know Watergate? will er nun plötzlich aus dem Zusammenhang losgerissen wissen. Die US-Affäre?, frage ich behutsam und hoffe insgeheim, dass Zuma und Nixon sich nie im Leben über den Weg gelaufen sind. Exactly! This is our „Nkandlagate“. Kein Wunder, dass über Südafrikas Präsidenten so viele Witze kursieren. Vermutlich mehr als über jeden anderen amtierenden Staatschef Afrikas. Dabei gehört er noch nicht einmal zu den reichsten Regierungschefs des afrikanischen Kontinents, wie Baruti mich gerade wissen lässt. Zuma lebe zwar in Prunk, aber sein Vermögen könnte vergleichsweise als bescheiden gelten. Was das fette Bankkonto angehe, würden ihn laut „Forbes“-Magazin viele andere waschechten Kleptokraten Afrikas weit zurücklassen, die es höchstwahrscheinlich noch korrupter und noch ausschweifender treiben würden. Sogar der König des kleinen Swasilands, das innerhalb Südafrikas liege, sei reicher als Zuma. You see, rich and corrupt go together! Da kann ich Baruti nur uneingeschränkt zustimmen. Und unsereins muss mit dem spärlichen Gehalt halbwegs über die Runden kommen, lamentiert Baruti und fügt in seiner Muttersprache etwas hinzu, was ich zwar nicht verstehe, aber anhand des Tonfalls wie folgt übersetzen würde: Am liebsten würde ich alle dorthin wünschen, wo der Pfeffer wächst!
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Barutis Trauer schwingt spürbar mit, als er mir erklärt, dass er in Alexandra lebt. Do you know Alexandra? Nun ja, kennen ist übertrieben. Sagen wir mal, ich weiß, dass es das älteste Township in Johannesburg ist und nur wenige Kilometer vom reichen Sandton entfernt liegt. Ich würde mich nicht trauen, dorthin zu fahren, da es als der gefährlichste Stadtteil Joburgs gilt. Vermutlich ist Baruti die Angst der weißen Bevölkerung vor Alexandra bewusst, darum wartet er erst gar nicht die Antwort ab. Stattdessen hat er etwas anderes auf dem Herzen und fährt mit leiser Stimme fort: Hunderttausende Menschen wohnen in Alexandra, dicht gedrängt. Es hat sich nichts verändert in den letzten Jahrzehnten. Er macht eine kurze Pause und spricht weiter. Er gehöre auch zu der born free generation, die den direkten Bezug zum Befreiungskampf nicht mehr habe. Aber für sie sei es entscheidend, was die Politiker für ihre Zukunft leisten würden. Und da sehe er persönlich ja schwarz. Die Vision von der harmonischen und erfolgreichen Regenbogennation werde gerade verspielt, weil die Korruption täglich für Schlagzeilen sorge und die zahllosen Verstrickungen immer undurchsichtiger würden. Das mache viele wütend. Die Lage sei besorgniserregend.
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Nachdem minutenlang keiner von uns ein Wort von sich gibt und sich auch auf der Straße nichts Weltbewegendes ereignet, außer dass sich ein Polizeiwagen mit Hilfe des Martinshorns den Weg durch die verknoteten Fahrzeuge zu bahnen versucht, fasse ich mir ein Herz und frage zwecks Auflockerung der Stimmung etwas Unpolitisches: Was heißt eigentlich Baruti? Wie würdest du deinen Namen übersetzen? Der beste Taxifahrer von allen lacht herzlich und erklärt mir, dass Baruti in seiner Muttersprache Setswana teacher, educator bedeutet. Wieder hüpft meine linke Augenbraue gen Haaransatz. Was würde diese letzte Information bei meinen Schülern doch für Schadenfreude auslösen. Ich höre sie förmlich tuscheln: Na, endlich hat sie ihren Meister gefunden. Im wahrsten Sinne des Wortes.
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Herzlichen Dank an Ute Petkakis für das Gegenlesen!
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Schon wieder so ein spannender Text von dir. Nach der Geschichte kann man, zumindest was die Verwendung von Steuergeldern für persönliche Zwecke angeht, mit Frau Merkel hochzufrieden sein. Viele Grüße:)
Herzlichen Dank für die Blumen! Tja … auch so lassen sich Politiker miteinander vergleichen …
Ausgezeichnete Reiseliteratur! Sehr interessanter Beitrag, nicht nur landeskundlich höchst informativ, sondern auch humorvoll und sehr gekonnt geschrieben; man meint, man wäre dabei gewesen… Gratuliere!
Vielen Dank für die lieben Worte! Ich nehme euch gerne mit auf Reisen …
Eine sowohl amüsante als auch informative und wunderbar geschriebene Geschichte. War auch nichts anderes zu erwarten aus deiner Feder, liebe Christina. D
…eigentlich hat ja Jacob Zuma dafür gesorgt, dass es amüsant geworden ist …
Danke vielmals für die Blumen … vielleicht sollte ich mich auch mit den hiesigen Politikern befassen?
Na, der schafft es, angenehm zu leben! Und du schaffst es, deine Leser zu unterhalten. Prima erzählt!
Zuma sorgt dafür, dass ich genug Stoff für meine Erzählungen habe. Bin ihm sehr zu Dank verpflichtet …