von Christina Antoniadou
Nagelpflege muss sein. Darum gehe ich in Johannesburg regelmäßig ins entsprechende „Studio“, wo die Maniküristinnen oder – wie sie auch genannt werden – die Nailmodellistinnen alle im weißen Kittel und mit Scholl-Sandalen eher wie Ärztinnen aussehen und somit den entsprechenden Respekt einflößen. Solch ein seriös anmutendes Ambiente verleiht dem Nagelstudio zweifellos Prestige. Zeigt her eure Füße, warum also nicht auch eure Hände, schließlich sind gepflegte Hände und Nägel eine Art Visitenkarte und vermitteln einen ersten, möglichst positiven Eindruck der jeweiligen Person. Mittlerweile lasse ich mir die Nägel allerdings nicht mehr nur wegen dieses ersten Eindrucks oder aus Eitelkeit lackieren, sondern aus einem viel wichtigeren Grund: Landeskunde. Als ich nämlich meinen Gatten vor einigen Jahren auf einem Business-Trip nach Dubai begleitete, habe ich mit Entzücken festgestellt, dass ein Besuch bei der Maniküristin im jeweiligen Hotel sehr viel aufschlussreicher über ein Land sein kann als jeder Reiseführer von lonely planet oder DuMont. Was sich da für Welten auftun, wenn die Damen aus dem Nähkästchen plaudern, ist einfach unfassbar.
Seitdem lasse ich mir die Nägel viel öfter pflegen als sie es eigentlich nötig haben. So also auch in Johannesburg. Hier habe ich einen Salon entdeckt, in dem gleich mehrere Damen tätig sind, was die Landeskunde noch spannender macht. Ich liebe es, dem Getratsche und Geschwätz der schwarzen Maniküristinnen zuzuhören und meinen Beitrag zur allgemeinen Erheiterung zu leisten. Um jeglichen Missverständnissen bezüglich Rassismus und Diskriminierung zuvorzukommen, sei einleitend erklärt, dass hierzulande – im Gegensatz zu den USA oder zu Europa – der Begriff black, also schwarz für die dunkelhäutige afrikanische Bevölkerung verwendet – und darin auch nichts Verwerfliches oder gar politisch Unkorrektes gesehen wird.
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Der Salon wird durch Tische, die nebeneinander stehen, in zwei Bereiche geteilt. Auf der einen Seite sitzen die Kundinnen und auf der anderen Seite die Maniküristinnen. Ungefähr zehn afrikanische junge Frauen arbeiten nebeneinander und unterhalten sich während der Arbeit in gemäßigtem Ton miteinander. Dabei wird nicht etwa Englisch gesprochen. Oh nein! Die schwarze Bevölkerung unterhält sich in der Muttersprache, derer es 9 gibt. Jawohl NEUN!
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Die Damen im Salon sind meist sehr jung und gehören eher der born free generation an. Damit sind diejenigen schwarzen Bürger gemeint, die nach 1994 geboren sind und somit das Apartheid-System nicht kennen gelernt haben. Andere wiederum sind schon über dreißig und haben Familie. Unabhängig vom Alter ist eine Unterhaltung mit jeder von ihnen ein Erlebnis. Da sitze ich also und lasse mich von zwei Expertinnen verwöhnen, eine feilt an meinen Zehen und Fersen herum und die andere eine Etage höher an meinen Fingernägeln. Ich versuche, mich in ihre Unterhaltung einzuschalten, indem ich mich bemühe, einzelne Wörter herauszufischen und nach ihrer Bedeutung zu fragen. Diesmal glaube ich den Begriff squeeza aufgeschnappt zu haben. Also frage ich wissbegierig in die Runde, was dieses Wort bedeutet. Die Maniküristinnen sind es anscheinend nicht gewohnt, dass man solche Fragen stellt und schauen etwas irritiert. Sunshine, die nicht wirklich Sunshine heißt, sondern halt Sunshine in der SeSotho-Sprache, was Mamotseare geschrieben, aber doch irgendwie anders ausgesprochen wird, also meine Manikür-Perle Sunshine übersetzt den Begriff ins Englische, und klärt mich darüber auf, dass das die sister-in-law sei. Ihre Schwägerin heiße eigentlich Mbali, was in der Zulu-Sprache soviel wie „Blume“ bedeute, aber sie benutze den Namen nie, sondern nenne sie immer squeeza. Und um das Gesagte zu untermauern, zeigt sie mit Feile und Zeigefinger auf eine junge Frau am anderen Ende der Tischreihe und ruft: Heeeee, squeeza!, woraufhin die junge Frau aufschaut und uns ein beneidenswert weißes Lächeln über die Tische hinweg schickt.
Ab sofort darf ich jetzt auch an der Unterhaltung teilnehmen, die nunmehr auf Englisch mit afrikanischem Akzent stattfindet, sodass sich viele Konsonanten härter anhören und das „r“ gehörig gerollt wird. Woher ich denn sei und seit wann ich hier wohnen und wie lange ich noch bleiben würde usw. Die Basis-Informationen werden ausgetauscht. Beim zweiten und dritten Besuch ist man dann schon vertrauter, sodass die Mädels auf die neugierige Europäerin warten und munter darauf los schwatzen. Ich sehe die Gelegenheit gekommen, weltbewegende Fragen zu stellen, die mir schon lange auf dem Herzen liegen, wie die folgende: Wie kann man die Xhosa von den Zulu auseinander halten? Nosiphiwo, die meine Füße pflegt und übersetzt „Die Gabe“ heißt, antwortet: The Xhosa are the most beautiful people in South Africa. Daraufhin prustet Sunshine, die an meinen Händen hantiert, los. Auch alle anderen brechen in schallendes Gelächter aus. Es stellt sich heraus, dass die Gaben-Dame bei ihrer Bewertung nicht gerade objektiv vorgeht, da sie selber dem Stamm der Xhosa angehört.
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Sunshine kann es sich nicht verkneifen und feuert eine Spitze nach der anderen in Richtung meiner Füße ab. Angeblich sind die Xhosa-Frauen nicht nur besonders klein, sondern – sie drückt mir ein Auge zu – auch mit enormen hips ausgestattet, dabei hält sie beide Hände jeweils rechts und links an ihre Hüften, ohne diese zu berühren. Pantomimisch versucht sie, auch denjenigen mit weniger Vorstellungskraft Ausgestatteten visuell nachzuhelfen. Ein paar Minuten schwatzen alle wild durcheinander und ich verliere wieder den Faden, aber es geht wohl um Shakiras Lied, hips don’t lie. Obwohl sich die Musik als Brücke für die Fortsetzung der Unterhaltung geradezu anbietet, traue ich mich nicht, nach dem hiesigen weiblichen Schönheitsideal zu fragen, aus Angst in irgendein Fettnäpfchen zu treten. Dabei böten die MTV Africa Music Awards, die ich erst gestern im Fernsehen verfolgte, dafür allemal Anlass. In bunte Gala-Kleider gehüllt moderierten verschiedene VIPs, die allesamt – vor allem unten herum – üppig ausgestattet waren. Ihre gut platzierten Rundungen wurden durch die eleganten, viel zu engen Papagei farbigen Abendkleider zusätzlich betont. Vermutlich hatten sie sich in dieselbigen einnähen lassen, denn sonst sehe ich beim besten Willen keine Möglichkeit, sich den Weg in diese Kleider voller Glitzer zu bahnen.
Während die Damen um mich herum immer noch die Merkmale der Xhosa ausdiskutieren, überlege ich mir die nächste Frage, um von diesem Thema abzulenken und dem Ganzen wieder eine Struktur zu verleihen, denn als konventionelle Europäerin kommt man nicht umhin, Strukturiertes jeglicher Art vorzuziehen. Vor allem aber möchte ich aus verständlichen Gründen die Weichen wieder so stellen, dass auf der englischen Schiene weitergesprochen wird. Also frage ich etwas ganz Primitives, nämlich ob Sunshine Kinder habe. Etwas Anspruchsvolleres fällt mir im Eifer des Gefechts und aufgrund der allgemeinen Unruhe um mich herum nicht ein. Jawohl, einen Sohn. Wie alt er denn sei? Zwölf, ist die Antwort und in einem Atemzug – und ohne dass ich sie danach gefragt hätte – klärt sie mich darüber auf, dass der Sohn mit ihrer Mutter zusammenlebe, weil Sunshine jeden Morgen unglaublich früh, nämlich um 3.45 Uhr, aufstehen müsse, denn von Soweto aus, wo sie wohne, fahre der Bus um 5.00 Uhr früh in Richtung CBD ab und abends sei sie dann so ausgelaugt, dass sie schon um 20.30 Uhr müde ins Bett falle. Sie macht kein Hehl daraus, dass die arme Großmutter ihr Leid mit dem Enkelkind hat. Diese müsse ihm nämlich jedes Mal gehörig die Ohren langziehen, damit er sich dazu bequemt, die Hausaufgaben zu machen. Und neulich habe sich der Junge deswegen bei der Mami beschwert und ihr sogar damit gedroht, dass er sich an die Child Care Line wenden werde, um den Sozialarbeitern am Telefon zu verraten, my grandmother is abusing me! Daraufhin habe ihm Sunshine gedroht, dass sie, als Mutter, im Gegenzug die Polizei anrufen werde, um ihr mitzuteilen, my son is abusing me emotionally! Und wenn er sich nicht sofort auf den Hosenboden setze, um seine Hausaufgaben zu machen, werde sie ihn an seinen Wuschelhaaren packen und ihn zum nächsten shack settlement verfrachten. Dort könne er dann mit den Ärmsten der Armen in einer Wellblechhütte hausen und brauche nie wieder zur Schule zu gehen. Vorerst wirke diese Drohung, meint Sunshine. Fragt sich bloß, wie lange!
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Der dazugehörende Vater, der an der Auseinandersetzung mit dem Sohnemann vielleicht teilhaben könnte, wird anfangs völlig verschwiegen. Später erfahre ich allerdings beiläufig, dass er Polizist gewesen und vor einigen Jahren bei einer Auseinandersetzung in Soweto erschossen worden sei. An seiner Stelle wird ein Verehrer wie ein Joker aus dem Ärmel gezogen, der wohl in letzter Zeit in ihrem Leben eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen scheint. Aha! Als ich nachfrage, was sie denn an ihm am meisten schätze, kullert sie mit den schwarzen Augen und schaut an die Decke, als würde da ein Bild von den am meisten geschätzten Merkmalen hängen. His muscles, vertraut sie mir mit der nötigen Gelassenheit an und dabei reißt sie die Augen ganz weit auf und spreizt die wulstigen Lippen wie zu einem kleinen Trichter, jede einzelne der drei Silben betonend und die zwei Worte, die die vielen Muskeln dieses Adonis beschreiben, in die Länge ziehend. Sie bitte ihn immer wieder in besonderen Situation – ich wisse schon, wann –, ihr seine Schwäne zu zeigen. Da ich nicht auf Anhieb im Bilde bin, um was für Schwäne es sich genau handelt und mich aufgrund der Wahl des Tieres außerstande sehe, etwas Obszönes dahinter zu vermuten, bitte ich sie – nachdem ich ein erneutes Aha! von mir gebe – darum, mir dies näher zu erläutern.
Sunshine kommt meiner Bitte gerne nach. Sie legt die Instrumente auf den Tisch, um zur Show ansetzen zu können, spreizt beide Arme seitwärts, winkelt die Unterarme senkrecht nach oben ab und hält die Hände zur Faust geballt, wie es Bodybuilder zu tun pflegen. Und jetzt brauche ein muskulöser Mann, wie ihrer es sei, nur die Fäuste nach außen zu drehen und die Muskeln der Oberarme spielen zu lassen und schon erkenne man zwei wunderschöne Schwäne. Ich solle mir das Ganze in einem ärmellosen Muskelshirt, das die gut durchtrainierten Oberarme zur Geltung bringe, vorstellen.
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Nachdem wir uns beide vor Lachen gehörig gebogen und auch die restliche Mannschaft damit angesteckt haben, arbeitet sie wieder an meinen Nägeln und lässt mich noch mehr über ihren Schwanen-Manne wissen. My BF comes from Nigeria. Durch meinen irritierten Blick ist sie erneut genötigt, Erklärungen abzugeben: My goodness, it means BoyFriend. Sunshine verdreht die Augen und denkt vermutlich, dass diese Weiße, mit der sie sich törichterweise auf ein Gespräch eingelassen hat, dümmer ist als es die Polizei erlaubt. I see, stoße ich zu meiner Entschuldigung hervor und schweige vorerst, um meinen Ruf und vor allem den meiner Auffassungsgabe nicht vollends zu ruinieren. Nigerian men are the most handsome in all of Africa, nimmt sie das Gespräch wieder auf, da seien die Männer groß und gut gebaut, nicht wie die Schießbudenfiguren hier im Süden. Natürlich bedient sie sich nicht dieses Begriffs, da sie generell nicht der deutschen Sprache mächtig ist, aber ich könnte es beschwören, dass sie ihre Landsmänner mit genau diesem Ausdruck schmücken würde, wenn sie mir ihre Geschichte auf Deutsch erzählen würde. Zumindest lässt ihre Miene darauf schließen. South Africans are short and not that handsome, das sei mir sicherlich schon aufgefallen, oder? Nichts dergleichen ist mir persönlich aufgefallen, aber warum soll ich ihr dieses durchtrainierte Schwanen-Muskelpaket madig machen?
Der vorige Lover sei übrigens auch aus diesem Land gewesen. Unbeirrt fügt sie noch einen weiteren wichtigen Grund hinzu, warum ihr generell Nigerianer gefallen würden. Dieser bestehe darin, dass sie dunkler als die hiesigen Pappnasen seien. Weder Aha! Tatsache ist jedoch, dass die Natur die Bewohner des Schwarzen Kontinents um den Äquator herum mit einer dunkleren Hautfarbe versehen hat, um sie besser vor den schädlichen UV-Strahlen, die in diesen Gegenden intensiver sind, zu schützen. Außerdem sei ihr BF ein besonders hübsches Exemplar und ohne diesen flachen Hinterkopf, den viele Nigerianer hätten, während der Hinterkopf der Südafrikaner – und dabei fasst sie sich an ihren eigenen – eher einer halben Honigmelone gleiche und nett nach hinten abstehe. Instinktiv fasse ich auch an meinen Hinterkopf, der aufgrund meiner Abstammung aus dem mittlerweile türkischen Pontos an der Schwarzmeerküste große Ähnlichkeit mit Nigerianern zu haben scheint. Aha!
Wie unschwer zu erkennen ist, löst Sunshines Erzählung eigenartige und nicht zum Thema gehörende Assoziationen in meinem ebenfalls flachen Hinterköpfchen aus. Aber am meisten gibt es mir zu denken, dass sie genau die Sorte von Afrikanern anhimmelt, von denen alle anderen im Land – und zwar unabhängig von ihrer Hautfarbe – behaupten, sie seien mit Vorsicht zu genießen. Man solle sich vor Nigerianern hüten, weil sie angeblich samt und sonders Drogenhändler seien. Die üblichen Vorurteile, die – wie es scheint – auf jedem Kontinent kursieren und Ausländer in kein besonders günstiges Licht rücken.
Zielbewusst hole ich zur nächsten Frage aus: Ob sie denn ein Foto von diesem sugar honey honey habe. Wieder schallendes Gelächter. Wie ich denn auf diesen Namen käme. Ich singe den farbigen Manikür-Expertinnen kurz das Lied aus den 60ern vor, als The Archies noch behaupteten, sugar, na na na na na naaaa, uhuuu honey honey, na na na na na naaaa, you are my candy giiiirl. Die Damen um mich herum staunen nicht schlecht über den Übermut dieses Bleichgesichts, mit solchen doch mäßigen Gesangskünsten in aller Öffentlichkeit einen zum Besten zu geben. Sie kennen das Lied nicht. Kein Wunder! Ich hätte es auch nicht wieder erkannt! Honey Honey hat einen typisch afrikanischen Namen mit vielen „b“, den ich leider aufgrund meiner ungeübten Ohren, eventuell aber auch wegen eines gewissen Herren, der sich immer öfter ungefragt in mein Leben schleicht und sich Alzheimer nennt, an dieser Stelle nicht mehr reproduzieren kann. Auf die Frage nach dem Alter von Honey Honey kommt nur die schnippische Gegenfrage, who cares about numbers? Nun gut.
Ich möchte mich nicht in indiskreten Details verlieren, frage aber dennoch die Dame, die „Gabe“ heißt und meine Füße verwöhnt, etwas gewagt, ob sie Sunshines Muskelprotz schon gesehen habe oder ob es sich nur um eine fiktive Figur handle, mit der mich Sunshine beeindrucken wolle. Das lässt Sunshine natürlich nicht auf sich beruhen und kramt aus ihrer großen Handtasche ihr Handy hervor, um mir Honey Honey zu zeigen. Tatsächlich lacht mir ein Prachtexemplar von einem Mann entgegen und blendet mich – wie es sich für diesen Kontinent gehört – mit dem dazugehörigen weißen Zahnpasta-Lächeln! Hätte ich Sunshine gar nicht zugetraut mit ihren üppigen hips und ausgeprägten Oberschenkeln! Alle Achtung!
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Nun werde ich noch mutiger und behaupte einfach, Sunshine binde mir mit diesem Foto einen Bären auf, denn wahrscheinlich habe sie das Foto einfach nur aus dem Internet heruntergeladen, um hier in großer Runde damit zu prahlen. Sunshine reißt wieder die schwarzen Augen auf, formt die breiten Lippen zu einem entsetzten „O“ und schleudert mir ein pikiertes Shoo entgegen. Dass dieser Begriff Shoo, der sich wie ein kurzer deutscher „Schuh“ anhört, dessen oooos aber auch beliebig in die Länge gezogen werden können, als Ausdruck für alle möglichen Gefühlsregungen dient, habe ich hier in den wenigen Monaten schon realisiert. Sunshine ist ganz offensichtlich überrascht – aber nicht negativ. Sonst hätte sie sich nämlich des anderen Ausrufs bedient, den ich auch ständig höre, der aber eher „Oh, nein!“ oder „Ach, du meine Güte!“ bedeutet, nämlich Eish, was sich ausgesprochen wie „aisch“ oder wie „isch“ anhört und genauso gut aus dem Mund eines Kölner LKW-Fahrers stammen könnte. Als Freund und Helfer wird nun die Squiza in den Zeugenstand gerufen, die in knappen SeSotho-Sätzen darüber in Kenntnis gesetzt wird, was diese Europäerin gerade von sich gegeben hat. Ich verstehe nur die Begriffe internet und download, für die es wohl in der afrikanischen Sprache keine Entsprechung zu geben scheint. Squeeza kneift die Augen zusammen und krümmt sich bald vor Lachen. Und da dieser heitere Zustand bekanntlich nicht nur gesund, sondern auch ansteckend ist, halten sich bald alle im Raum den Bauch vor Lachen.
Nosiphiwo, die übrigens durch ihr ausgeprägtes Gebiss eine große Ähnlichkeit mit der Hollywood-Schauspielerin Whoopi Goldberg aufweist, glaubt nun, dass der geeignete Moment dafür gekommen sei, sich nicht nur mit meinen 10 Zehen zu beschäftigen, sondern auch eine Geschichte zu erzählen, die erheblich zur Klärung des Sachverhaltes beitragen werde: Honey Honey (der Nigerianer scheint seinen Spitznamen wegzuhaben) habe an einem Morgen auf Sunshine gewartet und ihr doch tatsächlich eine breakfast box mitgebracht. Wie aufmerksam! Sunshine sei ganz hingerissen von so viel Feingefühl gewesen und habe die box dankend entgegen genommen. Aber Nosiphiwo betont immer wieder, man müsse sich das mal vorstellen, eine breakfast box!!! Wie er wohl auf so eine Idee gekommen sei? Unverständlich sei es schon, erwidere ich, zumal es in keinster Weise irgendeinem Hollywood-Vorbild entspreche. Als Honey Honey habe gehen müssen, weil die Mädels ja schließlich hätten arbeiten sollen und müssen, habe Sunshine den Inhalt der box an die restliche Belegschaft verteilt. Begründung: Sie sei auf Diät! Grund: Der Muskelmann. Großes Gelächter von allen Seiten, denn die Mädels hören natürlich zu, wenn es so etwas Pikantes zu erzählen gibt, außerdem waren ja alle dabei und haben sich den Inhalt der box geteilt, an besagtem Morgen. Nur Sunshine lacht nicht, aber nicht etwa, weil es ihr peinlich ist, dass man sich über ihr Liebesleben lustig macht. Zumindest ist jetzt bewiesen, dass es sich bei dem Handy-Foto um kein Phantom-Bild handelt, sondern um einen reellen Verehrer.
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Während die allgemeine Heiterkeit noch anhält, unterhalten sich meine zwei Damen wieder in ihrer Muttersprache. Ich warte ab, wann es zur ersten Atempause kommt, um mich wieder einzumischen und weiß nichts Besseres von mir zu geben, als die Xhosa-Dame dafür zu loben, dass sie ihrem Namen „Gabe“ alle Ehre macht, denn sie hat die Gabe, ein storyteller zu sein. Nosiphiwo geht sofort darauf ein und setzt schon an, um mir ihre Geschichte zu übersetzen, aber Sunshine fällt ihr ins Wort. Ganz offensichtlich ist diese Geschichte nicht für meine Ohren bestimmt. Na gut, dann eben nicht. Aber Nosiphiwo setzt sich durch. Sunshine schüttelt nur den Kopf, hält die Hand vor die Augen und schaut entsetzt auf den Boden! Was mag da wohl kommen?
Nosiphiwo setzt neu an und erzählt von einem liquid, das sie sich zusammenbraue und das ganz bestimmte Bedürfnisse und Fähigkeiten in ihr wecke. Immer wenn sie diesen Sud trinke, habe sie mehr Spaß an house and home. Außerdem halte die Wirkung dieser Flüssigkeit drei Stunden, sodass man sich länger mit house and home beschäftigen könne. Ich schaue etwas irritiert in die Runde und frage ganz naiv, die unmittelbaren Konsequenzen nicht abschätzen könnend, ob es nicht ein bisschen übertrieben sei, wenn eine junge Frau von 30 Jahren – denn älter ist Nosiphiwo gewiss nicht – so einen Aufwand betreiben müsse, nur um Staub zu wischen und zu putzen. Die Tatsache, dass sie von kräftiger Statur ist und solch einer Vorbereitung nun wahrlich nicht bedarf, behalte ich wohlweislich für mich. Sendepause von der Gegenmannschaft. Alle schauen sich nur für Sekundenbruchteile an und lachen wieder wie auf Kommando Tränen.
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Was ist denn nun los? Da wiegt man sich im Glauben, eine geistreiche Bemerkung gemacht zu haben und genau das Gegenteil ist der Fall. Ich scheine von einem Fettnäpfchen ins nächste zu stapfen. Während ich erneut meine unheilbare Neugier verfluche, wischen sich die Damen die Lachtränen weg. Zu meiner und der geehrten Leser Aufklärung sei erwähnt: House and home hat weniger mit Haushalt oder Küche zu tun und bezieht sich in keinster Weise auf eintönige Tätigkeiten, die einen Haushalt instand setzen oder sauber halten. Ganz im Gegenteil, es handelt sich bei diesem Ausdruck um die diskrete Beschreibung eines freudigen Ereignisses, das Mann und Frau in meist horizontaler Stellung näher bringt und hin und wieder auch der Fortpflanzung unserer Spezies dient.
https://www.youtube.com/watch?v=TSP0e5rXUl8
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Herzlichen Dank an Ute Petkakis für das Gegenlesen!
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Beitragsbild:https://www.youtube.com/watch?v=j7nV_xniXns
Na, das nenne ich lehrreiche und unterhaltsame Landeskunde aus erster Hand! Besonders gut hat mir die Leichtigkeit gefallen, mit der die jungen Frauen sich über alles unterhalten, was in deiner Erzählung sehr bildhaft und lebendig geschildert wird.
Mein Gott, was für Geschichten – ich lache so laut, dass die Nachbarn sich fragen werden, was los ist.
Ganz klasse geschrieben! Ich freue mich auf weitere Geschichten. Musste auch mehrfach laut lachen! Hab mich sofort nach Südafrika versetzt gefühlt!
Also ich muss mich den anderen Lesern anschließen und deine Geschichte in den höchsten Tönen loben. Sehr witzig und lehrreich. Bravo!
Auf diese Honey Honey Breakfast-Box wären bestimmt viele Frauen auf dem Globus neidisch! Allerhöchsten Respekt also deiner ehemaligen Maniküristin mit den üppigen hips!
Die diskrete Beschreibung der Fortpflanzung am Ende war allerdings der Höhepunkt der Geschichte!
Wirklich toll und humorvoll aufgebaut!
Sugar, sugar…………., du hast ein belangloses Ereignis (für mich zumindest, denn ich lackiere nie meine Fingernägel) zu einer humorvollen und spannenden Erzählung gemacht!! Toll!!!!!
Honey……. honey……………………..!