17. Die Perle Pamela - Home Is Everywhere

von Christina Antoniadou

 

Wenn ich meinen Freunden in Europa erzähle, dass die Dienstmädchen, Putzfrauen, Haushaltshilfen und domestic workers, wie sie in Südafrika genannt werden, Namen wie Sunshine, Charity oder Happiness tragen, lächeln sie anerkennend, fragen jedoch nicht weiter nach. Auch mein Versuch, ihnen zu erklären, dass es sich bei den Namen meist um die englische Übersetzung aus der jeweiligen Bantusprache handelt, stößt kaum auf Resonanz. Also muss ich konkreter werden und füge hinzu, dass die Eltern bei der Namensgebung nicht hirnlos vorgehen, also keine celebrity names wie beispielsweise Kevin oder Justin aussuchen. Exotisch klingende Namen wie Chantal werden ebenfalls ausgeschlossen und damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Name ihres Kindes zu einer Diagnose wird. Statt dessen verfolgen sie das lobenswerte Ziel, dem Spross durch den Namen den jeweiligen Charakterzug mit auf den Lebensweg zu geben. Meine Argumentation wird erneut mit einem müden Lächeln quittiert.

Sobald ich allerdings ganz nebenbei die Bemerkung mache, dass meine Perle den Namen Pamela trägt, regen sich die Gemüter. Es ist ausnahmslos mit der gleichen Reaktion zu rechnen, vor allem unter der männlichen Bevölkerung. Diese reißt nämlich Augen und Mund weit auf und für Sekunden verschlägt es ihnen die Sprache. Es wird nach ganz bestimmten Einzelheiten gefragt, nach vollem blonden Haar und Collagen-Lippen und auch danach, ob es sich bei Pamela um eine barbusige Schönheit handelt. Auch die schwungvollen Bewegungen mit beiden Händen, die in der Luft einen beneidenswerten Frauenkörper mit kurvigen Idealmaßen zeichnen, sind schnell interpretierbar. Große Bewunderung ernte ich für die Putzfrau mit dem sexy Namen und nur eine Verwandte aus Mailand bringt es fertig, meine Reinemachefrau zu toppen, denn ihre Haushaltshilfe heißt doch tatsächlich Soraya und bringt somit einen aristokratischen Hauch aus dem damals noch westlich orientierten Persien in die Mailänder Wohnung. Trotz ihres Namens weist Soraya keinerlei Allüren auf und weiß sehr wohl, wie man ein Haus auf Vordermann bringt. Auch Pamela versteht ihr Handwerk und darum sind jegliche Ähnlichkeiten mit der Hollywood-Schauspielerin, auf die Männer so fixiert sind, von der Hand zu weisen. Schließlich soll sie bei mir zu Hause mit dem Putzlappen umgehen können und weder als dürftig bekleidetes Model die Gemüter bzw. die feuchten Männer-Fantasien wecken noch röchelnde Schwimmer aus dem Pool fischen. Sie soll schlicht und einfach nur sauber machen. Und zwar möglichst gründlich.

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Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen hat Pamela ihren wirklichen Namen nicht einfach aus ihrer Heimatsprache übersetzt. In ihrem Pass steht der Vorname Amandlenkosi und der Nachname Moyo, was ich übrigens gegoogelt habe, um herauszufinden, dass es so viel wie „Magie“ bedeutet. Statt sich also Magic zu nennen, was ja so schlecht gar nicht klingt, hat sie sich keck einen neuen Namen zugelegt, der ihren Vorstellungen von etwas Nettem gerecht wird. Und so keck und ganz in Rot gekleidet steht sie dann eines Tages vor der Tür und stellt sich vor. Hi (ausgesprochen: Haaaaaaaaaaiii), I’m Pamela.

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Pamela stammt aus Zimbabwe, gehört dem Ndebele-Stamm an, ist verheiratet, hat eine Tochter und zwei Söhne, spricht gebrochen Englisch und lebt seit über zehn Jahren in Johannesburg. Die ersten zwei Kinder hat sie aus erster Ehe. Ihr damaliger Mann kam bei einem Minenunglück um. Ähnliche Geschichten habe ich schon des Öfteren über und von Witwen gehört, deren Männer in jungen Jahren entweder im Untertagebau umgekommen oder bei einer Schießerei ihren Verletzungen erlegen sind. Auf jeden Fall heiratete Pamela bald danach ihren zweiten Mann, von dem sie das dritte Kind hat.

Ich muss gar nicht erst nach ihr suchen, denn sie wird mir von der Hausbesitzerin wärmstens empfohlen, genau so wie der Gärtner Zondi. Beide arbeiten seit Jahren hier und sorgen jeweils drinnen bzw. draußen für Ordnung und Sauberkeit. Schon in der ersten Woche winkt mir Pamela mit einem Papier, um mir zu erklären, dass wir beide einen Vertrag unterschreiben müssen. Überrascht nehme ich das vier-seitige Schreiben entgegen, in dem sowohl ihre als auch meine Pflichten, vor allem aber ihre Rechte, ausführlich beschrieben sind. Später erfahre ich von der relocation agency, dass das in Südafrika so üblich und unumgänglich ist, da domestic workers während der Apartheid-Regierung keinerlei gesetzlichen Schutz genossen und somit potenzielle Opfer eines jeden Weißen darstellten. Mit diesem Vertrag gilt es also Missbrauch und Misshandlung vorzubeugen. Somit stehen Pamela täglich eine Kaffeepause und eine einstündige Lunch-Pause zu. Beides genießt sie in vollen Zügen. Und das ist auch gut so.

Im Laufe der Zeit wird mir bewusst, was für ein großes Glück ich mit Pamela habe. Geschichten über domestic workers oder maids, wie sie hierzulande auch heißen, tragen nämlich entschieden dazu bei, dass sich mein welliges Haar senkrecht in die Höhe sträubt. Die meisten Mädchen oder Frauen kommen aus den townships, meist aus Soweto, oft genug jedoch auch aus informal settlements oder squatter camps, wo grundlegende Hygieneregeln nicht eingehalten werden können. Dort schlafen die Familien auf engstem Raum in einer notdürftig gezimmerten Hütte auf dem Lehmboden, als Matratze dient ihnen ein auseinander gefalteter Pappkarton. Ihr armseliges Geschirr wird im besten Fall einfach nur abgewischt, bevor es wieder für die nächste Mahlzeit mit dem Getreidebrei aus Maismehl, dem sogenannten mealie pap oder pap überhäuft wird.

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Es wäre also schlichtweg zu viel verlangt, wenn man beim Reinigen eine gewisse Vorstellung von Sauberkeit voraussetzt, wie etwa, dass draußen nicht gleich drinnen ist oder der Fußboden als Fläche weder mit dem Tisch noch mit den Regalen gleichzustellen ist und darum anderer Fürsorge bedarf. Ganz zu schweigen von dem Staubsauger. Allein schon bei dessen Anblick und erst recht beim Anschalten desselbigen, begleitet von dem ohrenbetäubenden Getöse, muss den bemitleidenswerten Frauen doch wohl ein Riesenschreck in alle Glieder fahren! Mit ihrer Annahme, dass das Ding gewiss des Teufels sei, liegen die Frauen alles andere als falsch. Diese Vermutung hilft ihnen aber nicht gerade dabei, das Haushaltsgerät richtig zu betätigen. Generell tragen ihre Vermutungen bezüglich der Zweckmäßigkeit der Hausarbeit keineswegs dazu bei, Fenster streifenfrei zu wischen oder Putzlappen je nach Anwendungsbereich zu unterscheiden. Unter diesen Umständen hören sich Geschichten bezüglich maids, die den gleichen Putzlappen für die Klobrille und dann zum Abtrocknen fürs Geschirr benutzen, nicht unbedingt an den Haaren herbeigezogen an. Es kann auch leicht passieren, dass Hemden, welche gerade von der Reinigung abgeholt wurden, das Zeitliche segnen, weil sie – unverständlich warum – gleich mit der Plastikhülle mitgebügelt werden. Unser Freund kann es immer noch nicht fassen, dass innerhalb weniger Sekunden sein Bügeleisen gebrauchsuntüchtig war und seine Hemden einen eigenartigen Plastiküberzug vorwiesen und damit gleichfalls nicht mehr zu verwenden waren. Auch Wollpullover, die nach dem Waschen die Größe XXXS annehmen und nur noch mit Müh und Not Vorschulkindern passen, gehören oft genug zu den Missgeschicken einer maid und werden mit einem I am sooooo sorrrrrrry quittiert, sobald sie diesbezüglich angesprochen werden.

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Ein weiteres Beispiel aus unserem südafrikanischen Bekanntenkreis zeigt, dass Pamela im wahrsten Sinne des Wortes eine Perle ist. Nach einem stressigen Arbeitstag und einer Geschäftsreise nach Cape Town kommt eine berufstätige Freundin nach Hause und findet ihre maid namens Confidence im Bett liegen. Ziemlich verärgert darüber, dass Confidence trotz ihres Namens das Vertrauen ihrer Arbeitgeberin missbraucht und sich schon des Öfteren etwas zu zutraulich verhält, muss meine Bekannte energisch werden. Sie reißt die zu souveräne maid aus dem tiefen Schlaf und unterbricht ihre süßen Träume auf grausamste Weise. Statt erschrocken zu reagieren oder doch wenigstens unter Zuhilfenahme einer plausiblen Ausrede um Entschuldigung zu bitten, kommt nur die patzige Feststellung mit dem lang gezogenen Vokal und dem gerollten „r“ oooooh you are alrrrrrready here! Meine Freundin unternimmt den Versuch, sie zur Rede zu stellen, doch Confidence ist nicht auf den Mund gefallen: sie (also meine Freundin) arbeite schließlich auch kaum und sei ständig auf Reisen (gemeint sind die Geschäftsreisen). Folglich stehe auch ihr (also der maid) das Recht zu, die Arbeit niederzulegen und sich ein bisschen hinzulegen, da sie ungeheuer müde sei und sich ausruhen müsse…

Die südafrikanischen Haushalte gehen recht anspruchsvoll mit ihren maids um und man könnte daraus schließen, dass die Frauen des Hauses ihn perfekt haben wollen, weil sie selber die Arbeiten perfekt vormachen können. Dem ist aber nicht so, lasse ich mir von einem reizenden, älteren, weißen Südafrikaner ganz im Vertrauen sagen. Mit einem ängstlichen Seitenblick auf die Ehefrau raunt er mir zu, dass viele weiße Frauen in diesem Land gar nicht wüssten, was Hausarbeit sei. Wenn sie in etwas wirklich hervorragend seien, dann sei es weder Kochen noch Wischen oder Spülen, sondern den regelmäßigen Besuch beim Friseur oder bei der Maniküristin zu planen. Und wie sieht es mit den Männern aus? wage ich zurückzuflüstern, ebenfalls ohne den Blick von der Ehefrau abzuwenden. Das gelte natürlich umso mehr für den männlichen Teil der weißen Bevölkerung, der sich im Haushalt noch weniger nützlich machen könne, gibt er ohne weiteres zu. Es habe ja immer die domestic workers gegeben, die sich um alles hätten kümmern müssen und daran habe sich bis heute trotz Mandela und ANC nichts geändert.

Nach dieser Insider-Information beobachte ich gerne Leute in Hotels am Frühstücksbüffet dabei, wie ungeschickt sie sich anstellen können und beispielsweise beim Einschenken den Kaffee verschütten, die Kaffeekanne nicht etwa wieder zurück in die Kaffeemaschine zum Warmhalten stellen, sondern sie einfach irgendwo vergessen, die Milchkanne nicht wieder zurück in den Eiswürfelbehälter bringen, sondern in der durch ihre Unbeholfenheit fabrizierten Milchlache zurücklassen. Es ist unfassbar, wozu einige Leute nicht imstande sind. Es sei nun allerdings dahingestellt, ob es sich jedes Mal um tapsige Südafrikaner handelt, denn mit ungeschickten Menschen können sicher auch noch andere Länder aufwarten. Bei einer Stand-Up Comedy in Johannesburg werde ich Zeuge einer ähnlichen Feststellung und muss an den sympathischen rüstigen Herrn zurückdenken. Wahllos werden zwei Leute aus dem Publikum darum gebeten, doch bitte auf die Bühne zu kommen, um eine Bettdecke mit einem entsprechenden Bezug zu beziehen. Es ist als Pause des Programms gedacht, entwickelt sich jedoch zu einem Gag ohnegleichen, bei dem das Publikum vor Vergnügen nur so schreit, weil sich die beiden doch recht unbeholfen anstellen. Keiner kommt auf die Idee, den Überzug zunächst auf links zu drehen und dann mit beiden Armen in den umgestülpten Bezug hineinzufassen, sich zwei Ecken der Bettdecke zu greifen und den Überbezug bequem über die Decke zu ziehen. Statt dessen krabbeln sie in den offenen Bezug hinein, die Bettdecke im Schlepptau, ohne zu wissen, wie sie da wieder hinaus kommen sollen. Das kann ja beim besten Willen nichts Gescheites werden. Kein Wunder, dass unter diesen Umständen in vielen Haushalten ein oder sogar mehr domestic workers benötigt werden.

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Wenn Freunde und Bekannte von dem durch ihre domestic worker misshandelten Inhalt ihrer Kleiderschränke oder von anderen durch die maid verursachten Missgeschicken erzählen, heißt das folglich noch lange nicht, dass sie es besser machen könnten. Vermutlich hätten sie sogar noch größeren Schaden angerichtet! Trotzdem versuchen sie, sich gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie ihre Darbietung mit dem Satz einleiten, ach das ist doch noch gar nichts im Vergleich zu dem, was sich meine maid neulich geleistet hat. Auf jeden Fall bin ich nur froh, dass ich in keinster Weise mit ähnlichen Geschichten zur allgemeinen Erheiterung beitragen kann, denn an Pamela ist nichts dergleichen auszusetzen. Sie ist nicht nur gründlich, sondern auch zuverlässig und ehrlich. Und äußerst unterhaltsam, wie ich – aber auch der werte Leser – im Laufe der Zeit erfahren soll.

 

Herzlichen Dank an Ute Petkakis für das Gegenlesen!

 

Copyright 2018 Christina Antoniadou / All rights reserved

 

Beitragsbild:https://www.2oceansvibe.com

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