von Christina Antoniadou
In Johannesburg braucht man keinen Wecker. In diesem Teil der Welt geht man energiesparend und ökologisch vor, zumindest was den Weckdienst angeht. Man braucht weder Strom noch Batterien dafür und es steht auch kein staubfangender Gegenstand auf der Kommode, der früh morgens an die Wand katapultiert wird, sobald er einen Ton von sich gibt. Auch ohne diese verhasste Erfindung wird dafür gesorgt, dass bei Sonnenaufgang nicht mehr weitergeschlafen werden kann. Der Joburger Wecker hört auf den Namen Hadeda, hat zwei dürre Beine, einen langen Schnabel, grau-olivbraunes Gefieder, das stellenweise auberginefarben oder metallisch grün schimmert und weist die Größe einer übergewichtigen Ente auf, kann also mitnichten als schön bezeichnet werden. Sein merkwürdiger Name rührt von der nervigen Angewohnheit, einen lauten markanten Ruf von sich zu geben, der sich in etwa wie haa-haa-haa-de-dah anhört und laut und durchdringend durch die Gärten Joburgs schallt. Laut Wikipedia soll dieses Vieh auf Deutsch angeblich Hagedasch heißen, was bedeuten würde, dass die damaligen Immigranten deutscher Abstammung den entsprechenden Ruf gehört haben müssen, um diesem lächerlichen Vogel diesen noch lächerlicheren Namen zu verpassen. So sehr ich mich auch bemühe, ich höre weder haa-haa-haa-de-dah noch haa-haa-haa-gee-dasch, sondern nur ein eintöniges und trostloses Kra Kra heraus, was vermutlich auf den Umstand zurückzuführen ist, dass ich weder über deutsche und noch weniger über englische Vorfahren in Südafrika verfüge.
Genauso wie das Unglück kommt ein Hadeda (auf der ersten Silbe betont) selten allein. Hadedas gehen mit vereinten Kräften vor und werfen die Joburger mit einem ohrenbetäubenden und unverwechselbaren Gekrächze gnadenlos aus dem Bett, egal ob diese zur Arbeit müssen oder nicht. Es muss dabei ein strategischer Plan à la Napoleon Bonaparte vorliegen, denn sie scheinen die Grundstücke gerecht unter sich aufgeteilt zu haben, um sich nicht gegenseitig ins Gehege zu kommen. Vermutlich empfinden sie eine gewisse Genugtuung dabei, die Bewohner der Stadt flächendeckend zu quälen, darum treten sie immer zu zweit auf, wie bei einem Überfallkommando. Es ist nicht ersichtlich, ob es sich immer um dieselben Vögel handelt, die sich für just diesen Rasen und somit für die dazugehörigen Bewohner des Hauses entschieden und aus eigener Initiative heraus zu deren Haus- bzw. Gartentieren ernannt haben. Was sich ebenfalls meiner Kenntnis entzieht, ist die Frage, ob es sich um ein Paar, um Vater und Sohn, um Cousins zweiten Grades oder wahllos zusammengewürfelte Kameraden handelt, die an den Spruch „Morgenstund hat Gold im Mund“ glauben und sich den Unfrieden in der Stadt zum Ziel gesetzt haben.
Eigenartigerweise kommen diese Vögel pünktlich zu Sonnenaufgang und deren Untergang. Wo sie den Rest des Tages verbringen und wen sie in der Zwischenzeit mit ihrem lästigen und kakophonischen Kra Kra versuchen zu betören, in Wirklichkeit aber belästigen, ist mir nicht bekannt. Ebenso merkwürdig ist der Umstand, dass sie nur bei der Landung und dann wieder beim Abflug zu hören sind. Böse Zungen behaupten sogar, sie hätten Angst vor dem Fliegen und würden darum so krächzen. Andere wiederum sind davon überzeugt, sie seien des Teufels, weil man sie nie in Kleinformat und auch nie ein dazugehöriges Nest erspäht. Es scheint fast, als kämen sie direkt als ausgewachsene Vögel auf die Welt. Ich jedenfalls möchte mich der faustischen Gruppe anschließen, die an den Pakt mit dem Teufel glaubt, denn seit ich in diesem Land lebe, ist Ausschlafen ein Unterfangen geworden, das nur selten Erfolg verzeichnet, zumal ich schon immer alles andere als ein Frühaufsteher war und Aufstehen vor 8.00 Uhr morgens für eine Tortur halte. Dass ich Morgenmuffel trotzdem zwei Kinder in die Welt gesetzt habe, die mich nicht nur während der Stillzeit, sondern noch Jahre später alle zwei Stunden aus dem Bett warfen, ist eine Geschichte für sich und sicherlich auch auf meinen damaligen jugendlichen Leichtsinn und die dazugehörige Ausdauer nebst Kraft zurückzuführen. Wie man sieht, haben aber nicht nur Säuglinge und Kleinkinder diese furchtbare Angewohnheit, die Morgenruhe unschuldiger Mütter zu ruinieren. Dreißig Jahre später und am südlichen Ende des Nachbarkontinents finden sich Störenfriede, die ähnliche Fähigkeiten aufweisen.
Wer nun annimmt, die Hadedas würden es dabei belassen, Leute nur mit ihrem lieblosen Gekrächze zu ärgern, dem sei gesagt: weit gefehlt! Sie handeln audio-visuell, indem sie morgens und abends nach geräuschvoller Bruchlandung jeden Joburger Rasen Zentimeter für Zentimeter auf und ab stelzen, um ihn mit ihrem 20 cm-langen Schnabel zu durchlöchern. Dabei lauern sie mit vorgebeugtem Kopf nach ihrer Beute, piksen und stochern alle Schnabel lang in den Boden hinein und ziehen alles aus der Tiefe, was sich aus der Tiefe ziehen lässt. Bei Tageslicht und aus der Nähe betrachtet gleicht unser Rasen übrigens einem riesigen Sieb. In Grün.
Eine andere Geschichte, die den eigenwilligen Charakter der Hadedas beweist, ist folgende und wurde mir von einer Bekannten aus den Staaten erzählt, die erst seit ein paar Wochen in der Telefonzentrale einer Johannesburger Firma arbeitet. Eine sonst gewissenhafte und immer pünktliche Kollegin ruft die Amerikanerin an und meldet ihr, der Leitung doch bitte auszurichten, dass sie etwas später kommen werde, denn Happiness is saying that there is a hadeda on the washing machine. Stimmen und Gekrächze im Hintergrund, die Kollegin legt auf. Etwas überfordert von dem Inhalt des Satzes würde die Amerikanerin gerne noch einmal einige Begriffe nachfragen, wozu leider keine Zeit mehr bleibt. Denn außer der Waschmaschine sind ihr alle anderen Wörter nicht geläufig und sie ist immerhin Muttersprachlerin. Zwei Stunden später kommt die gestresste und sichtlich zerzauste Kollegin zur Arbeit und klärt die Amerikanerin auf.
Der Begriff Happiness ist natürlich verständlich, aber in diesem Fall handelt es sich um den Namen der afrikanischen Haushaltshilfe, deren wirklicher Name für ein einfach gestricktes weißes Gedächtnis eine Zumutung darstellt und darum kurzerhand ins Englische übersetzt wird. Das ist in diesem Land üblich. Es ist voller Frauen mit dem Namen Sunshine, Innocence, Honesty, Patience, Confidence, Beauty, Faithful und dergleichen. Die Amerikanerin weiß das aber nicht. Und selbst nach der Erklärung begreift sie immer noch nicht, was genau auf der Waschmaschine sitzt. Die Kollegin versucht ihr den Vogel zu beschreiben und ebenfalls alle unternommenen Versuche, den Vogel von der Waschmaschine wegzulocken. Da diese jedoch fehlschlugen, versuchte sie es mit dem deutschen Schäferhund, den alle in der Nachbarschaft nicht umsonst für einen guten Wachhund halten. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, den Vogel zu verscheuchen. Kaum erblickte Rex den grauen Vogel, zog er winselnd den Schwanz ein und verschwand mit gebücktem Kopf. Die Kollegin und Happiness schauten sich vielsagend an und sahen sich nunmehr genötigt, zu drastischeren und effektiveren Mitteln zu greifen, welche in Anbetracht ihres wirren Haares keiner Beschreibung bedürfen. Die Moral von der Geschicht´ ist, dass man Fenster und Balkontüren hübsch schließen sollte, da Hadedas nicht nur äußerst neugierig, sondern auch unberechenbar sind und mir nichts dir nichts herein marschieren. Aber selbst wenn die Türen nicht sperrangelweit offen stehen, finden sie immer einen Weg, es sich im Haus gemütlich zu machen. Hadedas sind wie die Fliegen. Sie schaffen es, sich durch das kleinste Loch hineinzuschleichen, finden aber noch nicht einmal durch eine riesige Balkontür den Weg wieder hinaus.
Ähnlich verhält es sich mit den wilden Tauben, die ich schon einige Male aus meinem Schlafzimmer verscheuchen und einmal sogar dabei zusehen musste, wie eine Taube vor Angst die Fensterscheibe nicht realisierte und mit voller Wucht dagegen flog, ziemlich benebelt auf dem Boden landete und wie betrunken aus der Tür hinaustorkelte. Die Scheibe hatte an dem Tag ein nettes Abbild der Flügel, ähnlich wie bei den Fensterbildern mit verschneiten Weihnachtsengeln und Schneeflocken, die man sich in der Adventszeit an die Scheiben klebt.
Wilde Tauben sind also nicht nur genauso frech wie die Hadedas, sondern ein ebenso guter Wecker wie diese. Auch sie schaffen es hervorragend, einem den Schlaf zu rauben bzw. den letzten Nerv zu töten. Sie lassen sich – ebenfalls zu zweit – unter und auf dem Dach nieder und bauen dort ihre Nester. Diese permanente Zweisamkeit im Reich der Tiere könnte einem menschlichen Single, der dieser Harmonie auf Dauer ausgesetzt ist, schon in den Wahnsinn treiben! Ein weiterer Grund, um einen Psychotherapeuten aufzusuchen, könnte darin bestehen, dass die verliebten Tauben ihre Nester ausgerechnet da bauen, wo „Taubenspikes“, also hochstehende Nägel als Taubenabwehrsystem angebracht sind. Eigentlich soll diese Vorrichtung sie genau davon abhalten, nämlich von der Einnistung und somit von ihrer Fortpflanzung. Diese „Taubenspikes“ scheinen paradoxerweise genau das Gegenteil zu bewirken und funktionieren eher wie ein Magnet auf diese Vögel. Große Genugtuung empfinden die Tauben dabei – und dessen bin ich mir ganz sicher –, wenn sie unter Aufbringung aller ihrer Kräfte die Nägel auseinander biegen, sich in den geschaffenen Raum hineinquetschen und ganz nebenbei dort auch noch ein Nest bauen. Beim Beobachten dieses Prozedere seufze ich. In der Regel suche ich mir meine Mitbewohner ja lieber selber aus.
Nachdem es also auch die Tauben geschafft haben, sich meine ewige Ungnade zuzuziehen, ist es mir völlig unbegreiflich, warum die Taube nicht nur ein Friedenssymbol sondern auch ein Liebesbote sein soll. Wer um Himmels Willen ist nur auf die Idee gekommen, diesen Zweibeiner zu einem dermaßen positiven Doppelsymbol zu avancieren, dessen ewiges Turteln, Gurren und Vögeln – und das wohlbemerkt früh am Morgen – eine lästige Geräuschkulisse abgibt; dessen Exkremente überall auf dem Boden und auf dem Balkon liegen und sowohl in meinen Augen als auch in meiner Nase eben keinen organischen Dünger darstellen, sondern nur erbärmlich stinken!! Ich frage mich allen Ernstes, warum die Jäger dieses Landes lieber auf Warzenschweine, Antilopen und Springbocks losgehen, wobei ihnen diese lieben Tiere doch überhaupt nichts getan haben. Und ausschlafen lassen sie sie morgens auch. Der Springbock ist sogar das Wappentier der Republik Südafrika, die erfolgreiche Rugby-Nationalmannschaft nennt sich nach ihm und trotzdem zeigt man diesem hübschen Tier keinen Respekt und jagt es sogar. Wahrscheinlich ist sein Fleisch einfach schmackhafter als das der lästigen Hadedas und der turtelnden Tauben.
Ich persönliche jage jedenfalls lieber Tauben. Auf dem Balkon. Oder besser gesagt: vom Balkon weg. Wenn meine wenigen Nachbarn hin und wieder über die hohe Mauer schauen könnten, würden sie sich wahrscheinlich sehr über die verrückte Europäerin wundern, die mit einem Besen bewaffnet den Tauben den Krieg erklärt hat. Sie schubst nämlich Ästchen, Zweige, Blätter und weiß der Kuckuck – oder weiß die Taube –, was noch alles an Baumaterial für ein Nest herbeigeschafft worden ist, auf den von den Hadedas durchsiebten Rasen. Dass dabei auch manchmal ein noch nicht ausgebrütetes Ei das Zeitliche segnen muss, weil ich meinen Destruktionstrieb zu lange beschwichtigt und somit den Tauben die benötigte Zeit zum Eierlegen gelassen habe, gebe ich ganz offen zu, auch wenn mir deswegen eventuell Anzeigen von diversen Tierschutzvereinen, die ja bekanntlich nie lange auf sich warten lassen, schlimmstenfalls sogar ein Prozess bevorstehen.
Vor meinem geistigen Auge werde ich vor Gericht gezerrt. Die Anklage lautet auf mangelnde Tierliebe. Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings die Vorgeschichte, was Tauben und mich angeht, vorbringen. Diese spielt sich Jahre zuvor in Thessaloniki ab, wo man jedes Jahr ungefähr im Mai aufgrund der einsetzenden Sommerhitze die schweren Bettdecken in den Schrank verfrachtet und durch leichtere ersetzt. Da die Sonne herzlich dazu einlädt, hänge ich die warme Bettdecke zum Lüften hinaus und lasse gleichzeitig die garstigen Hausstaubmilben von der tödlichen Kraft der Sonne ausmerzen. Aus Zeitmangel verstaue ich die Decke allerdings dann doch nicht wie vorgesehen in den Schrank, sondern lege sie eingerollt erst einmal wieder aufs Bett. Am nächsten Morgen fällt mir nichts weiter auf, am zweiten Morgen habe ich an Fersen und Zehen einige rote Einstichstellen, denke mir aber nichts dabei, da es schon ungewöhnlich warm ist und die Mücken bei den Temperaturen gern ihr blutrünstiges Unwesen treiben. Am dritten Tag bemerke ich auch in der Kniegegend rote Punkte und am vierten Tag gehe ich endlich besorgt zum Hautarzt, nachdem ich Einstichstellen in schwindelerregender Höhe an meinen Oberschenkeln realisiere. Der Hautarzt stellt mit geübtem Blick fest, dass ich in den letzten Tagen eine besondere Anziehungskraft auf Flöhe ausübe. Auf meine Bedenken hin, dass ich mir doch gar keine Haustiere halte, meint er nur, dass man sich Flöhe auch ohne diese freundlichen Helfer ins Haus holen kann und dass es reicht, wenn z.B. eine Taube beim Flug über den Balkon eine Feder fallen lässt, auf der ein Floh sitzt. Von da aus sei es ein Leichtes für den Floh, den Weg ins Innere der Wohnung zu finden.
Mit offenem Mund höre ich ihm zu und sehe vor meinem inneren Auge, wie die Biester mit Fallschirm und Sicherheitshelm auf der vier Quadratmeter großen Landebahn, die ich ihnen in Form einer Bettdecke hingehängt habe, landen, sich des Fallschirms entledigen und kichernd in die warme Decke schlüpfen. Dort setzen sie dann auch noch den Helm ab und machen es sich gemütlich, bis die nichtsahnende Hausfrau die Decke hineinträgt, sodass sich die Flöhe bei der erstbesten Gelegenheit ungestört ihrer Lieblingsbeschäftigung hingeben können, nämlich ihr Opfer nach Herzenslust zu zerstechen. Hoffentlich werden die Geschworenen nach dieser herzzerreißenden Geschichte mercy zeigen und mich wegen ein paar gestrandeten Taubeneiern nicht lebenslänglich hinter Gitter setzen.
Mithilfe dieser Vögel bin ich also in Johannesburg zum Frühaufsteher geworden, so wie alle Joburger Frühaufsteher sind. Und je länger ich in dieser Stadt lebe, desto mehr zweifle ich daran, dass es nur an den fliegenden Teufeln liegt. Von vielen Johannesburgern habe ich nämlich schon gehört, dass sie vor der Arbeit zum Fitness-Center gehen oder im Swimming-Pool ein paar Runden drehen und trotzdem schon ab 7.00 Uhr, spätestens jedoch um 8.00 Uhr anfangen, ihre Brötchen zu verdienen. Die absonderlichste Geschichte, was früh aufstehen betrifft, höre ich von einem Bekannten, der in Pretoria wohnt und zweimal die Woche mit dem Fahrrad bis nach Johannesburg zur Arbeit fährt. Da ihm die Rückfahrt in der Dunkelheit nicht geheuer ist – wohlgemerkt, nicht weil er nach einem Arbeitstag zu kaputt ist, zum zweiten Mal 40 km zu meistern – fahren seine Frau und er abends zuvor mit zwei Autos nach Johannesburg, parken den einen Wagen dort, damit der Sportsmann am nächsten Morgen beruhigt bergauf und bergab zur Arbeit radeln kann und seinen Drahtesel dann abends aufs Auto verfrachtet und nach Hause fährt. Dieses Training ist dem edlen Zweck geweiht, jährlich am Cape Epic, einem internationalen Mountainbike-Etappenrennen am Westkap teilzunehmen. Das Rennen erstreckt sich normalerweise über mehr als 700 km und dauert sage und schreibe acht Tage. Die Bezeichnung „Tour de France der Mountainbiker“ liegt somit nahe. Von Insidern habe ich mir allerdings sagen lassen, dass es sich um the most difficult mountain bike race in the world handelt und most participants stop and cry. Wen wundert es?
Aber zurück zum südafrikanischen Frühaufstehen: Wenn man versucht auszurechnen, wie viel Zeit man für Frühstück, Duschen, Anziehen und Anfahrt braucht – bei Frauen muss noch das aufwendige Schminken berücksichtigt werden – plus Training im Fitness-Center oder Fahrt von Pretoria nach Joburg, kommt man zum Ergebnis, dass viele schon um 4.00 Uhr aufwachen müssen. Das ist zweifellos früh! Und ich nehme an, dass ich nicht die einzige bin, die das so sieht, oder? Für einen südafrikanischen Frühaufsteher gilt es darum nicht als unangemessen, morgens um 7.00 Uhr bei jemandem anzurufen. Vor allem Handwerker zeigen eine besondere Vorliebe dafür…
Der Tag in Johannesburg beginnt sicherlich nicht nur wegen der vielen Vögel so früh. Es handelt sich um eine Gesellschaft, die zum größten Teil und über Generationen hinweg von Farmern abstammt und deren Eltern auch heute noch vom Ackerbau und von der Tierzucht leben. Und da das Vieh bekanntlich über keine Uhren verfügt, will es bei Sonnenaufgang versorgt werden, also geben die Vierbeiner und der Acker den Zeitplan an, der wahrscheinlich ins Blut übergeht und auch heute noch eingehalten wird. Ein weiterer Grund, warum die Südafrikaner früh aus den Federn springen, ist die Tatsache, dass sie am frühen Abend noch bei Tageslicht wieder zu Hause sein wollen, denn vor der Dunkelheit scheinen sich alle zu fürchten. Johannesburg ist zweifellos eine day society, in der die Bürgersteige früh hochgeklappt werden. Die unzähligen Einkaufs-Center in Joburg schließen um 17.00 Uhr bzw. um 18.00 Uhr, in den Restaurants haben die meisten Gäste um 21.00 Uhr schon bezahlt und befinden sich längst in der Verdauungsphase und was die Abendvorstellung im Kino angeht, da sitzen um 19.30 Uhr gerade mal 10 Leute. Während tagsüber sowohl auf den Autobahnen als auch auf den größeren vierspurigen Straßen, die die Stadt durchqueren, der Bär los ist, fahren abends kaum mehr Autos auf den Straßen. Wer früh aufsteht, geht halt auch früh schlafen, daran führt kein Weg vorbei. Kollegen meines Mannes erzählen öfter davon, dass sie spätestens um 21.30 Uhr in den Federn liegen.
Als Südländerin höre ich solchen prickelnden Geschichten gelangweilt zu und denke mit Wehmut daran zurück, dass unsereins um 22.00 Uhr noch einen letzten Blick in den häuslichen Ganzkörperspiegel wirft um nett gekleidet auszugehen, weil der Tisch für 22.30 Uhr reserviert ist. Zumindest freitags und samstags. Nun höre ich schon die belehrenden Stimmen aus Nordeuropa, die an dieser Stelle mit erhobenem Zeigefinger zu bedenken geben, dass wir im Süden aufgrund solcher Eskapaden in der schlimmen Wirtschaftskrise stecken und die großen Brüder im Norden eben nicht! Das hat man davon, wenn man sich nicht an den Stundenplan der Hühner hält. Und somit wären wir wieder beim Federvieh und den Vögeln angelangt.
Beim Lesen dieser Zeilen könnte eventuell der Eindruck entstehen, dass es sich bei der Verfasserin um eine nicht besonders tierliebe Person handelt. Tatsache ist, dass sie prinzipiell nichts dagegen hätte, wenn man Hadedas und Tauben in die Verbannung schicken würde, sagen wir einmal in den Norden Kanadas. Dort können sie nach Herzenslust krähen, turteln und auch ungestört Nester bauen. Um jedem Missverständnis zuvorzukommen, sei erwähnt, dass die Verfasserin Tiere generell mag, vorausgesetzt diese (also die Tiere) nähern sich ihr nicht gefährlich sabbernd und mit nasser Zunge, springen sie (also die Verfasserin) mit ihren dreckigen Vorderbeinen nicht an, wenn diese gerade eine neue Strumpfhose trägt und beschnuppern sie nicht indiskret. Und vorausgesetzt sie (die Verfasserin) wird nicht um 6.00 Uhr in der Frühe geweckt. Solange Vierbeiner – oder wie im Falle der Hadedas und der Tauben meinetwegen auch Zweibeiner – keine Haare bzw. Federn lassen, weder Geruch ausströmen, auf spendable Art Flöhe verteilen noch störende Geräusche von sich geben und wissen, wohin mit ihrer Notdurft, solange sie sich also brav wie ausgestopfte Tiere zu benehmen wissen und sich nicht unnötig bewegen, mag die Verfasserin dieser Zeilen Tiere. Sehr sogar.
Herzlichen Dank an Ute Petkakis für das Gegenlesen!
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Herrlich, die Geschichte. Mit Hadedas habe ich keine Erfahrung, aber die Abneigung gegenüber Tauben kann ich gut nachempfinden. Es dauerte lange, bis ich mit viel Mühe und viel Wasser die Vögel mit ihrem Dreck vom Dach verscheucht hatte. Und mein Mann hatte sich Flöhe eingefangen. Aber im Nachhinein kann man ja über solche Geschichten lachen!
Morgenstund’hat Gold im Mund, wer länger schläft bleibt auch gesund!!
Anschaulich und lebendig erzählt!
Diese Geschichte möchte ich zu meiner zweiten Top-Geschichte ernennen. Toll geschrieben. Der Witz, die anschauliche Beschreibung, die Sprache, alles zusammen ein tolles Ergebnis. Bravo!!! Mach nur weiter so!
An die Hadedas und ihre Kakophonie kann ich mich gut erinnern und so musste ich über diese zugleich informative und sehr witzig verfasste Geschichte herzhaft lachen!! Absolut lesenswert!!!